I. Allgemeine Eindrücke
I. 1. Kleinigkeiten am Rande
I. 2. Museumsstück
I. 3. Sumpf
I. 4. Seifenblasen
I. 5. Der feine Unterschied
I. 6. Leergut
II. Konkrete Fragen
II. 1. Mythos
II. 2. Rechenkunst
II. 3. Konsequente Inkonsequenz I
Theologen- Theorie
Laien-Kommentar
Kirchliche Praxis
Kirche und `Welt`
II. 4. Das 'Urwort des Seins'
II. 5. Konsequente Inkonsequenz II
II. 6. Heiligung
II. 7. Wahrheit
Nachwort
Zusammenstellung der Fragen
Literaturverzeichnis
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II. Konkrete Fragen |
II. 3. Konsequente Inkonsequenz I |
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Theologen- Theorie
S. 209f: "Das Werk, das ich tue, macht die Person nicht zu der Person, die ich bin: opus non facit personam . . .
'Nicht dadurch werden wir gerecht, daß wir das Rechte tun, sondern als Gerechtfertigte [als gerecht gemachte Menschen] tun wir das Rechte.'
Zuerst ist es notwendig, daß die Person geändert wird, dann [folgen] die Werke."
Diese Lutherzitate dürften den Dreh- und Angelpunkt des christlichen Glaubens treffen. Das Neue Testament beschreibt die 'Änderung der Person' mit kaum zu steigernden Bildern: "Darum, ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden" (2Ko 5,17).
"Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen . . . " (Jh 3,3).
". . . solche, die tot waren und nun lebendig sind . . . " (Rö 6,13).
Gleiches gilt auch für die Bedeutung bzw. die Folgen dieser Veränderung: die einen werden gerettet, haben ewiges Leben; die anderen gehen verloren und "werden Strafe erleiden, das ewige Verderben" (2Th 1,9).
Folglich wird klar unterschieden zwischen Glaubenden und Nicht- Glaubenden; zwischen drinnen und draußen; zwischen denen, die zur Gemeinde gehören, und denen, die 'in der Welt' sind. Auch Jüngel betont vor der EKD-Synode 1999: "Das Neue Testament unterscheidet selber messerscharf zwischen den Glaubenden als Kindern des Lichts und den Nichtglaubenden als Kindern der Finsternis."
Die Bibel weiß um einen grundlegenden qualitativen Unterschied zwischen gerechtfertigt und nicht gerechtfertigt. Die Frage lautet tatsächlich (S. 201):
"Was ist menschlicher Glaube, daß er so große Dinge vermag?"
S. 136: "Ein Sühneopfer ist dann ein anderes,
das für das Leben dessen eintritt, der den Tod verdient hat. Kultisch tritt
dieses andere als Opfer an die Stelle des Schuldigen, indem dieser seine Hand
auf den Kopf (als Inbegriff der Individualität) des Opfers legt und damit sich
mit dem Opfer identifiziert. Die Handauflegung bedeutet . . . Akt der Subjektübertragung . . . 'eine den Opferer einschließende Stellvertretung'
geschieht in der Lebenshingabe des Sühneopfers."
S. 139: "Zum alttestamentlichen Sühneopfer gehören drei
konstitutive Akte, die in unumkehrbarer Reihenfolge vollzogen werden
müssen, nämlich 1) die als Subjekt- oder Identitätsübertragung zu verstehende
Konsekration, 2) die Tötung des Opfertieres, 3) die - durch diese beiden Akte
intendierte - Inkorporation in das Heilige. Bei der Deutung des Todes Jesu als
eines Sühneopfers kehrt sich jedoch
. . . die
Reihenfolge um."
S. 140: "Insofern wird also die Struktur des
alttestamentlichen Kult- geschehens (Konsekration - Tötung - Inkorporation)
durch die genau umgekehrt geordnete Struktur des Kreuzesgeschehens (Christus -
Kreuz - Glaube) ersetzt . . . Der Glaube ist nun die Identitätsübertragung,
durch die der einzelne Mensch sich mit dem Geschick Jesu Christi so
identifiziert, daß er sich in ihm gestorben und in ihm auferweckt
weiß. 'Im Horizont der Kategorie des Opfers betrachtet, ist der Glaube
die dem Handaufstemmen im alttestamentlichen Kult funktional entsprechende Identitätsübertragung.'"
Der interessierte Laie möge das
Fach-Chinesisch verzeihen. Aber das ist halt Fach-Theologie: "Gott
. . . uns
in der Person Christi proleptisch in seine Gemeinschaft inkorporiert hat . . . " ! ! !
Hierzu gehört auch Glaube als
"Konsekration". L schlägt
ausnahms- weise in verschiedenen Fremdwörterbüchern nach. Aber auch die sind
von der Jüngelschen Sprache überfordert und geben nicht viel her:
"Kon|se|kra|ti|on
(-tsjon, lat.) w. 10 kath. Kirche 1. Weihe (von Personen oder Sachen);
2. Wandlung (von Brot und Wein beim Meßopfer); kon|se|krie|ren
weihen"
Da selbst das theologische
Fach- und Fremdwörterbuch keine Antwort weiß, kann L nur vermuten. Hier ist
wohl gemeint: 'eine Beziehung oder Verbindung [zu Gott] herstellen'? Wer
glaubt, legt gewissermaßen seine Hand auf (oder besser sein Leben in die Hände
von) Jesus Christus und bekommt so Anteil an der Gnade Gottes und dem Reichtum
des Himmels . . .
Mit anderen Worten: Einst
legte der Schuldige - ganz bewußt - die Hand auf den Kopf des Opfertieres. Und
akzeptierte so dessen Tod als den eigenen. Sinngemäß muß der Sünder heute
- ganz bewußt - in Beziehung zu Jesus Christus treten und so dessen Tod als den
eigenen akzeptieren. Und dies geschieht "sola fide", allein durch den
Glauben.
Der Professor betont das mit
allergrößtem Nachdruck: Der Glaube - und nur der Glaube - bringt einen Menschen
mit Gott in Verbindung. Dies - und nur dies - bewirkt eine grundlegende
Veränderung der Person.
S. 211: "In diesem Sinne ist nun noch einmal
einzuschärfen, daß es allein der Glaube ist, durch den der Mensch
gerechtfertigt wird, daß der Mensch sola fide eine gerechtfertigte und
also neue Person wird."
Allerdings, neben diese
'Strukturen des alttestamentlichen Kult- bzw. des neutestamentlichen
Kreuzesgeschehens' stellt der Professor noch eine gänzlich andere Struktur.
Eine Struktur, die zu dem bisher Gesagten in völligem Widerspruch steht!
S. 141: "Friede ist die Kategorie, die das Ziel
und die Frucht des Sühne- opfertodes Jesu Christi sachlich angemessen begreift . . . Dieser Friede bedeutet . . . daß der Mensch - jeder Mensch! - am Kreuz Jesu Christi
tatsächlich gestorben ist . . .
Integriert das
Menschsein Jesu kraft seiner Identität mit der Person des Sohnes Gottes
das Menschsein aller Menschen, dann ist sein Tod unser aller Tod."
Ähnlich äußerte er sich vor
der EKD-Synode 1999 in Leipzig:
"Das ist
der souveräne Indikativ des Evangeliums: dass die ganze Welt bereits im
Licht der Gnade Gottes existiert, dass also auch der noch nicht 'missionierte',
dass auch der noch nicht 'evangeli- sierte Mensch' bereits vom Licht des Lebens
erhellt wird. Ist dieses Licht schon da, dann ist es für alle da. Bricht
der Tag schon an, dann bricht er für alle an."
S. 227f: ". .
. sich
durch seine Untaten zur Unperson machenden Unmenschen und läßt uns auch
im schlimmsten Fall hinter einer trostlosen Lebensgeschichte die menschliche
Person entdecken, deren Gott sich selber erbarmt hat . . . in jedem Fall eine Person, der göttliche Erbarmung
widerfahren ist . . .
. . . Menschen .
. . mehr
sind als die Summe ihrer Taten, daß sie auch als Strafgefangene ihre Würde
haben: die weltlich oft kaum noch wahrnehmbare und dennoch unzerstörbare Würde
einer von Gott gerechtfertigten menschlichen Person?"
Dies ist offenbar Struktur B.
Hier gibt es keinen Unterschied zwischen drinnen und draußen; es gibt kein
"gerettet oder verloren", kein "lebendig oder tot". Hier
sind - in Gottes Augen - alle Menschen gleich! In ihnen steckt "in jedem Fall eine Person, der göttliche
Erbarmung widerfahren ist". Jeder Mensch - bis hin zum schlimmsten
Verbrecher - hat den Status "einer von Gott
gerechtfertigten menschlichen Person".
Zunächst, in Struktur A, hieß
es, daß "es allein der Glaube ist,
durch den der Mensch gerechtfertigt wird." Jetzt heißt es, daß "der Mensch - jeder Mensch! - am Kreuz Christi
tatsächlich gestorben ist" und "auch
der noch nicht 'evangelisierte Mensch' bereits vom Licht des Lebens erhellt
wird".
Erst war Rechtfertigung
"Konjunktiv"; eine Möglichkeit, die "allein durch Glauben"
verwirklicht wird. Hier wird sie auch ohne Glauben zum "Indikativ",
zur Wirklichkeit; ist ein letztlich unverlierbarer Besitz und verleiht jedem
Menschen die "unzerstörbare Würde einer von
Gott gerechtfertigten Person".
(In Klammer: Daß Jesus f
ü r jeden Menschen gestorben ist, steht außer Frage. Struktur B
unterstellt jedoch, daß "jeder
Mensch!" auch ohne Glauben automatisch m i t
Christus gestorben ist; S. 141. Drei der vier Bibelstellen, die Jüngel als
Beleg für seine Behauptung anführt, müssen regelrecht vergewaltigt werden, um
den unterstellten Sinn herzugeben - Röm 6,6.8; Kol 2,20 und 3,3. Mir
"wir" bzw. "ihr" meint Paulus die "Heiligen" und
keineswegs "jeden Menschen". Die vierte, 2Kor 5,14, läßt zumindest
offen, wer mit "alle" gemeint ist. Klammer zu.)
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