Die Heiligkeit der Heiligen Schrift
Es geht hier - wie so oft - um eine ganz einfache Frage. Wer hat die Macht (bzw. ist die Autorität): A) Gott oder B) der Mensch - die Bibel oder der Ausleger, "scriptura" oder "verbo"? B wird in Deutschland vorwiegend von der Fachtheologie vertreten und wurde bereits vorgestellt. A dagegen findet sich eher in den Gemeinden. Hier kurz einige Eckpunkte dazu.
"Wir glauben . . . an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott . . . Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden."
Dies glauben Christen in aller Welt. Das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel ist offizielles Bekenntnis auch unserer evangelischen Kirche (s. ev. Gesangbuch Nr. 805). Sinngemäß glauben viele Christen an das eine Wort Gottes: Wort von Gott, Leben vom Leben, Wahrheit aus der Wahrheit. Für uns Menschen und zu unserem Heil hat Gott vom Himmel geredet; sein Wort hat die Gestalt menschlicher Worte angenommen durch den heiligen Geist von den Aposteln und Propheten und ist Schrift geworden.
Gottes Wort ist in zweierlei Gestalt erschienen: als "Fleisch" und als "scriptura". Zwischen dem Menschen und dem Buch gibt es - von der Herkunft bis zur Auferstehung - zahlreiche Parallelen:
- Sie sind beide tatsächlich nicht vom Himmel gefallen! Christus wurde von einer Frau geboren und die Bibel von Menschen geschrieben.
- Im Bekenntnis von Chalcedon wurde festgehalten, Christus sei "wahrer Mensch und wahrer Gott". Dies dürfte sinngemäß auch für die Bibel gelten: wahres Menschenwort und wahres Gotteswort; unvermischt, unwandelbar (beide Naturen können einander nicht in sich 'aufsaugen' bzw. umwandeln), ungetrennt (keine Gespaltenheit) und unzertrennbar (es ist nicht auseinanderzuklauben).
In Gethsemane, als es bitterernst wurde, stand Jesus fast allein. Selbst seine engsten Vertrauten waren geflüchtet, haben ihn verraten oder verleugnet. Auch Gottes Wort steht häufig allein, wenn die große Schar der Kritiker mit den "Schwertern und Stangen" aufgeklärter Klugheit über die "Torheit Gottes" (1Ko 1,25) herfällt. Auch Gottes Wort wird häufig durch Zeichen der Liebe verraten; seine Gegner finden sich unter Hohenpriestern und Schriftgelehrten, die es an die Besatzungsmacht der Historiker ausliefern und kreuzigen lassen; und dennoch, trotz aller Verfolgung, das Wort Gottes lebt seit fast 2000 Jahren.
Diese Parallelen lassen sich nahezu beliebig erweitern. "Das Licht scheint in der Finsternis und die Finsternis hat's nicht ergriffen" (Jh 1,5). Als die Finsternis nach Jesus griff, konnte sie ihn nicht auslöschen oder im Grab einschließen. Durch die Auferstehung ist er jedem menschlichen bzw. wissenschaftlichen Zugriff entzogen. Gott läßt sich nicht durch - wie auch immer geartete - Beweise einfangen und beherrschen. Sein Geist weht, wo er will und nicht wo wir es ihm vorschreiben. Auch sein Wort läßt sich von Menschen nicht ergreifen und in einen (theologisch-wissenschaftlichen) Käfig sperren.
Einst fragte Jesus seine Jünger, was die Leute über ihn reden (Mt 16,13ff). Da gab es (und gibt es) offenbar die unterschiedlichsten Meinungen. Dann stellte er die Frage: "Was sagt denn ihr, daß ich sei? Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn. Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut hat dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel."
Auch über die Bibel kursieren die unterschiedlichsten und oft genug skurrilsten Ansichten. Daß dieses Buch "des lebendigen Gottes Wort" ist, kann Fleisch und Blut nicht verstehen geschweige denn beweisen. Das muß unser Vater im Himmel offenbaren. 1Ko 2,14 steht wie ein Cherub mit flammenden, blitzenden Schwert, zu bewachen den Weg zu dem Buch des Lebens (1Mo 3,24).
Wer sich mit diesem Thema ernsthaft auseinandersetzen will, dem sei empfohlen: Armin Sierszyn "Die Bibel im Griff", Hänssler Verlag 2001; ISBN 3-7751-3685-1; (aus diesem Buch stammt die Parallele zu Chalcedon).
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