Die Mitte der Schrift
In „Konfession: Evangelisch-lutherisch“ von K. Grünwaldt (Hg.) werden die lutherischen Bekennt- nisschriften von Theologen für Laien erklärt. Eine der zentralen Aussagen lautet; S. 14:“... dass der Wortlaut der Bekenntnisschriften nicht 1:1 in die kirchliche Praxis übersetzt werden kann ... Ebenso wie die Bibel haben auch die Bekenntnisschriften eine Mitte, von der her sie zu verstehen sind.“ Diese Mitte sei „das Evangelium von Jesus Christus“ (S. 23). „Wichtig und lutherisch daran ist, dass die Bibel nicht gleichsam Gesetzeskraft erhält, sondern dass gesagt wird: Wir berufen uns auf eine Person: auf Jesus Christus, in dem Gott Mensch geworden ist, in dem Gott für uns offenbar geworden ist, durch den er für unser Heil gesorgt hat. Jesus Christus, sein Leben und Sterben für uns ist es, worauf es ankommt.“ (S. 20)
In der Folge wird dann unterschieden zwischen Evangelium und Gesetz, „Gottes eigentliches Wort“ und wohl menschlichen Worten in der Bibel, zwischen verbindlichen biblischen Texten und solchen, von untergeordneter Bedeutung. Dieser Grundsatz prägt weithin Denken und Reden in Theologie und Kirche. Unter Berufung auf Luther wird der Wortlaut von Bibel und Bekenntnis je unterschiedlich gewichtet, kritisch bewertet und in der Folge „interpretiert“. Als Laie frage ich zurück; frage ich „die Theologen“: Ist dieser Denkansatz in der heutigen Situation tatsächlich hilfreich - oder ist er Symptom (oder gar Ursache) für gravierende Probleme in Kirche und Gemeinden?
Normalerweise entsteht beim Lesen eine unmittelbare Beziehung zwischen Text und Leser (bzw. Hörer). Wenn z. B. im Märchen eine Hexe in einen Backofen gestoßen wird, dann hat man ein entsprechendes Bild vor dem inneren Auge. Wenn im Kursbuch steht 11. 45 Uhr, dann ist jedermann klar, der Zug soll um 11. 45 Uhr fahren. Und wenn in einem Gedicht von einer Rose die Rede ist, hat dies die entsprechende Vorstellung zur Folge. Wie diese Vorstellungen von Hexe, Zug und Blume konkret aussehen, bleibt der subjektiven Phantasie des jeweiligen Lesers überlassen. Aber die Grundaussage ist eindeutig.
In der heutigen Theologie wird diese unmittelbare Beziehung aufgelöst. Dazu ein allseits bekanntes Beispiel: Das „Wörterbuch der deutschen Sprache“ von Bertelsmann sagt zum Stichwort „Jungfrau“: „Frau, die noch keinen Geschlechtsverkehr gehabt hat“. In einem Universallexikon heißt es dazu: „Die geschlechtlich unberührte Frau“. Der Theologie-Professor Dr. E. Jüngel dagegen behauptet („ideaSpektrum“ Nr. 51/52, Seite 22): „Wer daraus einen gynäkologischen Protokollsatz machen will, der hat wirklich gar nichts verstanden“. Ähnlich äußert sich (z. B.) Kirchenpräsident Steinacker („zeitzeichen“ 11/2005, S. 40): „Ich glaube an die Jungfrauengeburt. Aber sie ist kein biologischer Vorgang.“ Ebenso Professor A. Lindemann; der wurde gefragt („DER SPIEGEL“ 50/99, S. 135): „Ist es für sie ein Problem, einerseits überzeugt zu sein, dass es keine Jungfrauengeburt gegeben hat, und andererseits das Glaubensbekenntnis zu sprechen: ‚Geboren von der Jungrau Maria’?“ Lindemanns Antwort: „Nein, überhaupt nicht …“
Das Wort „Jungfrau“ hat im Deutschen eine eindeutige, verständliche Bedeutung. Theologen benutzen es jedoch in einem völlig anderen Sinne; sie meinen gerade nicht eine Frau, „die von keinem Manne weiß“. Für Kirchenpräsident Steinacker bedeutet der Begriff (AaO.): „dass man in Jesus Gott begegnet“; für Prof. A. Lindemann (AaO.): „dass Jesus in noch ganz anderer Weise als vor ihm Johannes der Täufer mit dem Heiligen Geist und mit Gott verbunden ist“; und für Prof. E. Jüngel (AaO.): „Gott kommt den Menschen näher, als dieser sich selber nahe zu sein vermag“. Für sie ist „Jungfrau“ offenbar ein theologischer Fachausdruck mit den unterschiedlichsten(!), vom üblichen deutschen Sprachgebrauch abweichenden Bedeutungen. Kurz: Theologen denken „Jungfrau falsch“, aber sie bekennen „Jungfrau richtig“; sie glauben „nein“, aber sie bezeugen „ja“; sie meinen „schwarz“, aber sie sagen „weiß“. Folglich werden sie in Gemeinde und Öffentlichkeit nicht bzw. falsch verstanden.
Dieser Bedeutungs-Wirrwarr betrifft nicht nur die „Jungfrau Maria“ sondern - mehr oder weniger - alle Grundbegriffe im Bekenntnis und darüber hinaus. Sie werden „interpretiert“; d. h. von ihren ursprünglichen Bedeutungen losgelöst und neu gedeutet; sprich: mit anderen, oft gegensätzlichen Inhalten gefüllt. Diese „Interpretation“ ist kein abgeschlossener Vorgang sondern ein fortwährender Prozeß des immer wieder neuen Um- und Neudeutens. So wird der christliche Glaube zu einer Synthese aus einer festen, (fast) unbeweglichen Sprache und fließenden, sich ständig wandelnden Inhalten. In der Folge ist Theologie zu einer Veranstaltung in einem geschlossenen Expertenzirkel geworden, aus dem Nichttheologen praktisch ausgeschlossen sind. Sie ist eine Art elitäre Geheimwissenschaft, die nur Eingeweihte verstehen. Weil die Verbindung von Sinn und Zeichen, von Denken und Sprache, von Geist und Buchstaben aufgelöst ist, haben Laien keinen Zugang zu aktuellen theologischen Fragen und damit letztlich zum Glauben selber. Denn woher soll ein ‚normaler Mensch’ heute wissen, was Theologen gerade meinen, wenn sie von „Gott“ sprechen; oder vom „Allmächtigen“, dem „Heiligen Geist“, von „Auferstehung“, „ewiges Leben“, „Heil“ usw. usw.
Das Trennen von Denken und Sprache wird gerechtfertigt durch eine Reihe von Argumenten. Sie alle berufen sich auf eine dem Wort (der Sprache, dem Text) übergeordnete Autorität. Diese Autorität wird häufig mit dem wohlklingenden Begriff „Christus“ umschrieben: „was Christum treibet“, „Christus als Mitte der Schrift“, „Christusoffenbarung“ usw. (mitunter auch als Unterscheidung zwischen Wortsinn und Literalsinn; ganz Pfiffige wissen sogar von einer „externen Mitte“). Sehr oft beruft man sich dabei auf Joh 1,14: „Das Wort ward Fleisch.“ Was dann heißen soll: Gottes Wort wurde Mensch und nicht Buch; sprich: Gott redet zu uns vor allem durch die „Person Christus“ und weniger durch die Bibel. Das Christentum sei „in erster Linie Christusglaube und nicht Buchreligion“ (M. Petzold, S. 74).
Solche Argumentation hätte ihre Berechtigung dort, wo eine feste Verbindung besteht zwischen „Christus“ und „Buch“. Da wir keine anderen Quellen haben, kann „Christus“ nur das sein, was in der Bibel über ihn geschrieben steht. Person und Buch sind praktisch identisch: der biblische Text bestimmt das Bild von Christus und die Textauslegung orientiert sich am biblischen Christus. Doch diese Identität wird von der heutigen Theologie aufgelöst. Hier werden Person und Buch wie Gegensätze behandelt. Letztlich werden sie regelrecht gegeneinander ausgespielt: Unter Berufung auf die „Person Christus“ werden klare Aussagen der Bibel relativiert oder uminterpretiert - und damit praktisch für null und nichtig erklärt.
Bei Luther war Christus eine reale, historische Gestalt. Auf ihn hin wurden Theologie und Glaube ausgerichtet. Und heute? Bultmann war der Überzeugung, wir könnten über den historischen Jesus (abgesehen von der Kreuzigung) „so gut wie nichts“ wissen. Prof. A. Lindemann meint („DER SPIEGEL“ 50/99, S. 130ff) die theologische Wissenschaft sei sich heute weithin einig: Jesus hielt sich selbst nicht für den Sohn Gottes, auch verstand er „seinen Tod nicht als Sühnetod für die Sünden der Menschen“; er habe weder die Bergpredigt gehalten, noch das Abendmahl eingesetzt, noch den Missionsbefehl erteilt; das leere Grab, die Begegnungen mit dem Auferstandenen „und natürlich auch die Himmelfahrt“ seien Legenden usw. Lindemanns Fazit lautet: „Was man über den Menschen Jesus weiß, ist dem christlichen Glauben im Wege“. Außerdem stimmt er Augsteins These zu: „Nicht, was ein Mensch namens Jesus gedacht, gewollt, getan hat, sondern was nach seinem Tode mit ihm gedacht, gewollt, getan worden ist, hat die christliche Religion ... bestimmt“.
So auch M. Petzoldt im Kapitel „Jesus - der Christus“ (ab S. 67). Der Kern seiner Aussagen lautet: Durch eine 230jährige, atemberaubende Forschung weiß man viel über den „echten“ Jesus (Verkündigung, Charakter, Leidensweg), dennoch besteht ein großer Teil unseres Glaubens aus theologischer Dichtung (Jungfrauengeburt, Auferstehung, wahrer Gott usw.), die von den „nach-folgenden Generationen“ an den echten Jesus angehängt wurde. Ähnlich Prof. W. Härle in seiner „Dogmatik“ (2. Aufl., Berlin, S. 305): „Dabei ist das Bild dieses Menschen durch die – notwendigen – Vermittlungen und Interpretation der Überlieferung ausgeschmückt und verändert worden.“
„Christus“ gilt heute als Gemenge aus historischer Person und Gemeindebildung (theologischer Ausschmückung), aus Realität und Fiktion, aus Wahrheit und Dichtung. Was letztlich bedeutet: Der „Christus“ der modernen Theologie ist – ähnlich wie deren „Jungfrau Maria“ – gerade keine reale historische Person sondern eine fromme Erfindung, eine kirchliche Kunstfigur, eine Art theologisches Phantom oder genauer: ein von Menschen gemachtes Bild (Rö 1,23).
Und das wird dann als Autorität über die Bibel gestellt und entscheidet nun, was darin „Gottes Wort“ sei und was nicht, was Evangelium sei und was nicht, wie die Heilige Schrift im Einzelfall zu verstehen und auszulegen sei. Dieses von Theologen gemachte Bild wird praktisch zum absoluten Herrscher über den Glauben gekrönt. Dieser Herrscher selbst ist einerseits völlig frei und unabhängig. Er berührt zwar die biblischen Texte, ist aber nicht wirklich an sie gebunden. Andererseits ist er ein Sklave der Theologen. Denn die können jederzeit über ihn verfügen. Unter Berufung auf diesen „Phantom-Christus“ können sie machen, was sie wollen.
Oder anders ausgedrückt: „Was Christum treibet“ sei die Mitte der Schrift; die sei „unterschiedlich interpretierbar und unbegrenzter Entfaltung und Differenzierung fähig“ („Dogmatik“, Prof. W. Härle, S. 136 f.) Auf deutsch: Wer dieser „Christum“ ist, der da getrieben wird, entscheidet weder er selbst (der historische Jesus von Nazareth) noch der Wortlaut der überlieferten Texte (Bibel und Bekenntnis) sondern die heutige theologische Wissenschaft. Die kann ihn unterschiedlich interpretieren und unbegrenzt entfalten und differenzieren; sprich: sie kann diesen „Christum“ treiben, wohin sie will. Letztlich kann und muß wohl jeder Theologe sich seinen eigenen, subjektiven „Christus“ formen, den er dann an die Stelle von „sola scriptura“ setzt und somit als letzte Autorität über seine Theologie und seinen Glauben erhebt.
Die Frage lautet: Was ist solch eine Mitte wert, die unterschiedlich interpretiert und unbegrenzt entfaltet werden kann? Was nutzt ein „Christus“, der nicht eindeutig bestimmt und nach allen theologischen Himmelsrichtungen dehn- und deutbar ist? Was taugt eine Theologie, deren zentrale Mitte eine fiktive Person ist, der man im Grunde alles andichten kann? Was nutzt alles Predigen, wenn das, worauf es ankommt, von ‚normalen Menschen’ nicht verstanden wird - eben weil sie nicht wissen können, was der Theologe gerade meint, wenn er von „Christus“ spricht? Wer soll kirchliches Reden noch ernst nehmen, wenn sich vom „fundamentalistischen Jesus“ bis zur „feministischen Christa“ die unterschiedlichsten Christusse auf den Kanzeln tummeln; wenn das „reine Evangelium“ so zu einem Gemenge unterschiedlichster Botschaften wird, von denen die eine Hü predigt, die andere Hot und die nächste Hottehü?
„Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott.“ Doch woran kann ich mein Herz denn hängen? Was bietet mir Halt im Leben und im Sterben? Wenn die Bibel nicht Gesetzeskraft besitzt, was bleibt dann noch - außer dem Gewirr unterschiedlichster Theologenmeinungen? Ist Jesus Christus „wahrhaftig auferstanden“, sprich: War das Grab am Ostermorgen leer - oder war es das nicht? Ist Christus tatsächlich der „Kyrios“, dem alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden – oder ist das nur phantasievolles Reden der ersten Christen? Ist „Christus gestorben für unsere Sünden nach der Schrift“ - oder wurde ihm das erst nachträglich angedichtet? Ist „ewiges Leben“ eine Realität, die mich nach meinem Tod erwartet – oder ist das nur eine theologische Umschreibung innerweltlicher Befindlichkeiten ... Wenn ich Bibel und Bekenntnis nicht beim Wort nehmen kann, was denn dann? Sollte ich Herz und Leben tatsächlich hängen an einen schwammigen, nebulösen „Christus“, der letztlich kaum mehr sein dürfte als ein Äffchen der Theologen; oder wie Jeremia es ausdrückt (Jer 10,5): eine Vogelscheuche im (theologischen) Gurkenfeld?
Das ständige Berufen auf eine „Mitte der Schrift“ bzw. auf eine wie auch immer bezeichnete Autorität über der Bibel ist heute geradezu zum Symbol geworden für den Verlust a) einer verbindlichen, alle einenden Mitte des evangelischen Glaubens und b) der geistlichen Substanz unserer Kirche.
Im genannten Buch werden die lutherischen Bekenntnisschriften von Theologen für Laien erklärt. Als Laie biete ich den Theologen ein ‚Feedback’ an; ich versuche anzudeuten, welche Früchte „Christus als theologischen Mitte“ in den Gemeinden bringt:
- Das Wort „Christus“ ist ein fließender, vieldeutiger Begriff; er trägt in sich die Tendenz zur Beliebigkeit. Er besitzt heute keine feste, unmittelbare Bindung an einen konkreten Inhalt - weder in der Geschichte noch in den überlieferten Texten; folglich tendiert er zur leeren Formel. In der Folge wird unsere Kirche nur noch vom Geld zusammengehalten. Theologisch hat sie die zentrale, einende Mitte verloren und ist in zahlreiche Gruppen und Grüppchen zerfallen, die unterschiedlichste Überzeugungen und Interessen verfolgen.
- Diese Gruppen und Grüppchen benutzen die gleichen theologischen Begriffe, geben ihnen aber je unterschiedliche Bedeutungen. Sie sprechen die gleiche Sprache, benutzen die gleichen Formen, füllen sie aber mit je unterschiedlichen, oft gegensätzlichen Inhalten. Dadurch versteht man sich untereinander nicht mehr und wird in der Öffentlichkeit nicht verstanden.
- Laien können (im Normalfall) diese je unterschiedlichen theologischen Fachsprachen nicht verstehen und dadurch die je unterschiedliche Gewichtung und Interpretationen der Texte weder durchschauen noch bewerten. Folglich werden sie - allein durch die Sprache - von der innerkirchlichen theologischen Diskussion bzw. Meinungsbildung ausgeschlossen. Für sie bleibt letztlich nur: Friß oder stirb (d. h. bleib weg). Luthers Überzeugung, wonach „eine christliche Versammlung oder Gemeine Recht und Macht habe, alle Lehre zu beurteilen“, wird zum Opium fürs Kirchenvolk.
- irchlichem Reden haftet heute häufig eine auffallende theologische Verflachung an. Man äußert sich zu nahezu allen Themen des Weltgeschehens, aber überzeugende Darstellungen unseres Glaubens sind eher selten. (Der Papst bestimmt in der Öffentlichkeit das Bild von Theologie; von ev. Theologen ist kaum etwas zu hören). Eine der Ursachen dafür, dürfte „Christus“ sein. Er tendiert halt auch zum Synonym für „Theologen-Geschmack“: was dem Theologen gefällt, sei „Christus“, was ihm nicht zusagt, sei es eben nicht. In der Folge wird dann alles Unbequeme, Unangenehme usw. ausgemerzt und das Evangelium so zu einer spannungslosen, faden und langweiligen Sache.
- Laien nehmen Texte so, wie sie sind. Dies ermöglicht ihnen eine unmittelbare Beziehung zu Bibel und Bekenntnis - und damit zu Gott und dem Glauben. Wenn Theologie die ursprüngliche, wörtliche Bedeutung der Texte auflöst, gefährdet sie den „kindlichen Glauben“ der schlichten Christen - und bedroht damit die entscheidende, wichtigste Substanz unserer Kirche! Sie zerstört das Priestertum aller Gläubigen; eben weil sie sich selbst, die Theologie, zwischen Bibel und Gemeinde, zwischen Gott bzw. dessen Wort und die Menschen drängt.
(Reformation heißt dadurch auch: das katholische Lehramt wurde durch ein evangelisches ersetzt. Der Unterschied ist nur: Das katholische Lehramt ist berechenbar, über Jahrtausende gewachsen; das evangelische besteht aus dem ungeordneten, zufälligen Nebeneinander zahlreicher professoraler Lehrämterlein, die je individuell aus dem aktuellen Zeitgeist erwachsen.) - Bei Luther war „was Christum treibet“ eine gefüllte, zielgerichtete Aussage; sie stand für etwas, für eine eindeutige Überzeugung. Heute wird sie eher gegen etwas verwandt: gegen eine verbindliche Formulierung unseres Glaubens. Ursprünglich war ihre Bedeutung „pro Christus“, heute tendiert sie zu „contra scriptura“. Dadurch droht das 500jährige Jubiläum der Reformation zu deren Beerdigung zu werden: „Wenn dein Wort nicht mehr soll gelten, worauf soll der Glaube ruhn?“
- „Niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche; sonst zerreißt der Wein die Schläuche, und der Wein ist verloren und die Schläuche auch“ (Mk 2,22). Doch genau dies geschieht in der heutigen Theologie. Die Folgen sind entsprechend: Die alte Sprache verliert ihre Kraft, die Kirchen werden immer leerer; und die neuen Theorien der ev. Theologen werden in der Gesellschaft kaum gehört.
Eine „Kirche des Wortes“ lebt von der Eindeutigkeit ihrer Begriffe, von der Klarheit ihrer Sprache. Wenn die Worte sterben, stirbt die Kirche mit ihnen. Als Laie frage ich ‚die Theologen’, ob die häufige Berufung auf eine „Mitte der Schrift“ ein Symptom ist für eine grundlegende, von innen kommende Auflösung des theologischen Denkens und damit von Glauben und Kirche?
A. Rau
EKD-Aktuell |