I. Allgemeine Eindrücke
I. 1. Kleinigkeiten am Rande
I. 2. Museumsstück
I. 3. Sumpf
I. 4. Seifenblasen
I. 5. Der feine Unterschied
I. 6. Leergut
II. Konkrete Fragen
II. 1. Mythos
II. 2. Rechenkunst
II. 3. Konsequente Inkonsequenz I
II. 4. Das 'Urwort des Seins'
II. 5. Konsequente Inkonsequenz II
II. 6. Heiligung
Laien- Kommentar
Theologen-Theorie
Kirchliche Praxis
II. 7. Wahrheit
Nachwort
Zusammenstellung der Fragen
Literaturverzeichnis
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II. 6. Heiligung
Laien- Kommentar
Wer dieses Wort ernsthaft in den Mund nimmt, hat erstklassige Chancen, in die Kategorie "theologischer Neandertaler" eingestuft zu werden: mit fliehender Stirn (und entsprechendem Gehirn), stierem Blick, verbiestert, verbissen, unbelehrbar . . . Er erscheint geradezu als "Antichrist" - das genaue Gegenteil eines aus der Gnade existierenden, das Leben bejahenden, freien und fröhlichen Christenmenschen.
Der von Jüngel so gern und oft zitierte Paulus gehört auch zu dieser Sorte; 1Th 4,3: ". . . das ist der Wille Gottes, eure Heiligung". Wahrhaft allen Grund, seinen Namen zu verschweigen, hatte der Verfasser des Hebräerbriefes! Denn der setzt noch Einen drauf; Heb 12,14: "Jaget dem Frieden nach mit jedermann und der Heiligung, ohne die niemand den Herrn sehen wird" . . .
L's Bischof hat zwar seine
Kirche nicht im Griff, dafür aber stets einen flotten Spruch auf den Lippen. So
zitierte er einmal irgendeinen Schriftsteller: "Der Mensch will in der
Masse anbeten." Die Betonung lag auf "Masse". Was wohl erklären
sollte, warum viele Menschen nicht die feinen, aber halt kleinen
Veranstaltungen der Kirchgemeinden besuchen. Und statt dessen Zeit, Kraft und
Geld lieber in Schützen-, Karnevals- und sonstige Vereine investieren.
Wie dem auch sei; dennoch
dürfte der Bischof hier mitten ins Schwarze getroffen haben: "Der Mensch
will anbeten." Jeder Mensch sucht etwas, was er lieben, das mit ganzer
Kraft verehren kann. Etwas, an das er glauben, woran er sein Herz hängen kann.
Etwas, das sein Gott ist. Einem ist dies das Sparbuch, anderen die Karriere,
Schönheit, Macht, Ansehen, das Auto . . .
Wenn jemand solch einen
"Gott" findet, kann dies tatsächlich "effektiv verändertes
Sein" bewirken und das Leben auf den Kopf stellen. Wenn ein Mann eine Frau
anbetet, wird er "Vater und Mutter verlassen und an seiner Frau hängen . . . " Er gibt alte Gewohnheiten auf und ordnet seine
Lebensumstände neu.
Die Liebe prägt das Leben.
Das ganze Sein richtet sich auf deren Ziel hin aus; ordnet sich diesem 'Gott'
unter. Der bestimmt Denken und Tun. Wer z. B. sein Häuschen anbetet, wird jede
freie Minute nutzen, alle Kraft einsetzen und dieses Häuschen mit seinem
Herzblut hegen und pflegen. Wer seine Schönheit liebt, wird alles tun, diese zu
erhalten; wer das Geld anbetet, arbeitet dafür Tag und Nacht . . .
Der Glaube benutzt andere
Worte, aber er besagt im Grunde dasselbe. Wenn ein Mensch Christ wird, dann tut
er "Buße": er gibt alte Gewohnheiten auf und ordnet seine
Lebensumstände neu. Und er wird sich "heiligen"; d. h. sein Leben auf
den Gott hin ausrichten, "der Himmel und Erde gemacht hat". Dieser
Gott bestimmt dann all sein Denken und Tun, prägt das gesamte Sein. Der Christ
wird ihm mit seinem Herzblut "dienen" Tag und Nacht. Er wird
"den Herrn, seinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und
mit allen seinen Kräften" (Mt 22,37ff).
Wenn man einem Hund einen alten,
angegammelten Knochen wegnehmen will, dann - so heißt es - müsse man ihm ein
frisches Schnitzel vor die Nase halten. Und sofort läßt er den Knochen fahren .
. .
Mit anderen Worten; Mt.
13,44ff: "Das Himmelreich ist gleich einem verborgenen Schatz im Acker,
welchen ein Mensch fand und verbarg ihn; und in seiner Freude darüber geht er
hin und verkauft alles, was er hat, und kauft den Acker. Abermals ist das
Himmelreich gleich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und da er eine
köstliche Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte
sie."
Gottesfurcht, der
Respekt vor den 'unkontrollierbaren Dimensionen des Seins' (S. II. 4), ist ein
Motiv für den Glauben; die Sehnsucht nach einem besseren Leben ein anderes. Die
Frage lautet: was bieten Theologie und Kirche dem 'modernen Menschen', das sein
Leben "effektiv verbessern" könnte? Woraus besteht das 'evangelische
Schnitzel', für das er seine angegammelten materiellen Götzen fahren lassen
sollte . . . ?
Genauer: was ist die
konkrete, 'greifbare Substanz' des evangelischen Glaubens? Welches Gesicht
(Gestalt) hat der "Gott", den die Fachtheologie den Menschen bietet,
auf daß sie ihn von Herzen lieben und ihm ihr ganzes Leben heiligen? Was ist
diese eine protestantische Perle, für die Christenmenschen bereit sein sollen,
alles zu verkaufen, was sie haben?
(Zunächst in Klammer: Zur
Geschichte Israels gehört auch ein ständiger Kampf ums erste Gebot. In der
Stiftshütte bzw. später im Tempel wurde offiziell Jahwe, der eine Gott Israels,
angebetet. Und im Verborgenen opferte man anderen 'Göttern'; sozusagen zur
Sicherheit, man konnte ja nie wissen . . .
1. Kö 14,22ff: "Und Juda
tat, was dem Herrn mißfiel
. . . sie machten sich
Höhen, Steinmale und Ascherabilder auf allen hohen Hügeln und unter allen
grünen Bäumen. Es waren auch Tempelhurer im Lande; und sie taten alle Greuel
der Heiden . . . "
Zur Geschichte der Theologie
scheint ein ähnlicher Kampf zu gehören. Es gibt eine offizielle evangelische
Staatsreligion; und gleichzeitig werden auf den "Höhen" der
theologischen Fakultäten sowie unter den "grünen Bäumen" der
Kirchenleitungen noch ganz anderen Göttern Altäre errichtet. Einer dieser
Götzen trägt den Namen "Wissenschaft". Für den läßt die Theologie so
manches ihrer Kinder durch Feuer gehen. Auf einem anderen Altar steht "Dem
modernen Menschen". Den umspringen ganze Heerscharen von Theologen wie
weiland das goldene Kalb. Vor "öffentliche Meinung" kniet so manche
Kirchenleitung und dem Gott "Mammon" opfern mit Vorliebe kirchliche
Verwaltungen u. a. die Finanz- und Lebenskraft der Gemeinden.
Über diese und andere
"Greuel der Heiden" soll nicht weiter spekuliert werden. Hier geht es
nur um die offizielle evangelische Staatsreligion, zu deren Hohenpriestern
Prof. Dr. Jüngel ja zweifellos gehört. Klammer zu.)
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