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I. Allgemeine Eindrücke

I. 1. Kleinigkeiten am Rande

I. 2. Museumsstück

I. 3. Sumpf

I. 4. Seifenblasen

I. 5. Der feine Unterschied

I. 6. Leergut

II. Konkrete Fragen

II. 1. Mythos

II. 2. Rechenkunst

II. 3.  Konsequente Inkonsequenz I

II. 4. Das 'Urwort des Seins'

Theologen- Theorie

Laien-Kommentar

Kirchliche Praxis

Prophetie

II. 5. Konsequente Inkonsequenz II

II. 6. Heiligung

II. 7. Wahrheit

Nachwort

Zusammenstellung der Fragen

Literaturverzeichnis

 

Rechtfertigung

II. Konkrete Fragen

II. 4. Das 'Urwort des Seins'

Laien-Kommentar

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Laien-Kommentar


  Der elektrische Strom ist eine äußerst nützliche Sache. Er verhilft uns zu  Licht, Kaffee und sauberen Socken. Das Leben eines 'modernen Menschen' ist ohne Elektrizität kaum vorstellbar. Allerdings, man muß sachgerecht mit ihr umgehen! Leichtsinn kann traurige Folgen haben - bis hin zu Todesfällen und abgebrannten Häusern.
 
  Der Umgang mit natürlicher Energie verlangt Achtung, Respekt; erfordert eine gewisse Ehrfurcht vor deren u. U. gewaltigen und tödlichen Kraft. Um wieviel mehr sollte man Ehrfurcht haben vor der unendlichen Kraft, die "Himmel und Erde gemacht hat" - samt aller natürlichen Energie bis hin zur Atomkraft.
 
  Gott ist Liebe; er ist unendlich gut und "nützlich". Dennoch gehen auch von ihm Gefahren aus; 5Mo 4,24: "Denn der Herr, Dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer und ein eifernder Gott . . . "
 
  Auch mit Gott sollte "sachgerecht umgegangen" werden! Die Bibel ist voll von Schilderungen über Fehlverhalten, das ins Auge ging - bis hin zu Todesfällen und durch Krieg verbrannte Städte. Einige der alten Prophe- ten z. B. kündigten dem Volk Gottes furchtbarste Gerichte an, eben weil es mit Gott und dessen Forderungen zu leichtsinnig umgesprungen war.
 
 
  Ps 111,10: "Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang. Klug sind alle, die danach tun."
 
  Gottes-Furcht ist nicht nur ein zentraler biblischer Begriff; sie scheint auch eine grundsätzliche Realität zu sein für all diejenigen, die "dem Göttlichen" begegnen. Off 1,12ff: "Und als ich mich umwandte, sah ich . . . einen, der war einem Menschensohn gleich . . . und aus seinem Munde ging ein scharfes zweischneidiges Schwert und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne scheint in ihrer Macht.
Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot . . ."
 
  Selbst dort, wo Engel mit ausschließlich positiven Absichten auftreten, beginnt ihre Botschaft meist: "Fürchtet euch nicht . . . " Auch Luther wußte um den Ernst des Glaubens; nicht umsonst stellt er in der Erklärung der Gebote ganz vorne an: "Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten . . . " Damit ist sicher nicht panische Angst gemeint, wohl aber Ehr-Furcht, ein heiliger Respekt vor der unendlichen Kraft, der wir unser Dasein verdanken.
 
  Aber genau dieser heilige Respekt scheint heutiger Theologie (weithin) abzugehen. Ihr Gott ist nicht zu fürchten. Er wirkt eher wie ein Symbol in einer Rechenaufgabe: ein theologisches Super-Pluszeichen, das alles ins Positive verkehrt und allem und jedem ein Happy-End garantiert.
 
  Der Gott der Theologen wirkt berechenbar. Er tut immer nur das, was man von ihm erwartet. Er ist lieb, brav und völlig harmlos. Von ihm gehen keinerlei Gefahren aus.
 
  Der Haken dabei: je stärker der Strom, um so größer seine Wirkung; aber um so größer auch die Gefahr. Mit dem Nutzen wachsen die Risiken. Das gilt auch umgekehrt: wenn die Risiken abnehmen, werden auch die die positiven Möglichkeiten kleiner. Wo keine Gefahren sind, dürfte kaum Nutzen zu erwarten sein. Ein Fahrrad-Dynamo leistet halt weniger als ein Atomkraftwerk . . .
 
  Welchen Wert hat ein Glaube, der keinerlei Risiken in sich birgt? Was ist von einem Gott zu halten, der nicht nein sagen kann; mit dem man scheinbar nach Belieben umspringen darf?
 
  Der 'moderne Mensch' hat es oft genug erlebt: Was nichts kostet, taugt nichts. Billige Gnade heißt auch deswegen billige Gnade, weil sie als wertlos empfunden wird. Eine Theologie ohne Gottes-Furcht bringt den Glauben in den Geruch von Billigware. Sie verpaßt der Kirche das 'Image' eines Ramsch-Ladens, der minderwertige Ladenhüter zu Schleuderpreisen verhökert.
 
  Von einem Gott, der nicht (auch!) zu fürchten ist, wird keine Hilfe erwartet. Er wird weder ge- noch beachtet. Er wirkt schlicht belanglos. Ein Gott, der nicht (auch) unüberhörbar nein sagen und Halt gebieten kann, ist kein Gott sondern ein Witz.
 


 
  Der elektrische Strom bezieht seine Kraft aus der Spannung zwischen Plus- und Minuspol. Diese Polarisierung findet sich nicht nur dort; sie erfüllt, prägt und trägt praktisch den ganzen Kosmos. Das Atom besteht aus positiven und negativen Teilchen; ohne deren gegensätzliche Kräfte würde unsere Welt vermutlich in Nichts zerfallen. Die Erde wird geschützt durch ein geheimnisvolles Magnetfeld, das sich um einen magnetischen Plus- und einen entsprechenden Minuspol aufbaut. Ohne Plus und Minus würde kein Computer arbeiten . . .
 
  Selbst die Menschen leben zwischen positiven und negativen Ordnungen, in der Spannung zwischen Rechten und Pflichten. Ohne Verbote, ohne Polizei und Justiz könnte keine Gesellschaft überleben.
 
 
  Auch der Glaube bezieht seine Kraft aus der ungeheuren Spannung zwischen positiv und negativ, zwischen ja und nein: Gott und Teufel, Himmel und Hölle, Erbarmen und Verdammnis, Vergebung und Gericht, Liebe und Heiligkeit, zwischen "Heil" und Verderben, Trost und Schmerz.
 
  Die Geschichte Israels bzw. die gesamte Bibel entwickelt ihre Dynamik in dem Kraftfeld zwischen diesen Polen. Sie beziehen ihre Kraft aus der Wechselwirkung von Segen und Fluch, Gnade und Gesetz, Vergebung und Gericht, Aufbau und Zerstörung . . .
 
  All diese Spannung konzentriert sich dann in dem einen unvorstellbaren Punkt Golgatha: Gott selbst stirbt für seine Schöpfung. Dort wird sichtbar das unergründbare Ja Gottes zu uns Menschen. Aber dort wird auch sichtbar das ebenso unergründbare Nein zur Sünde. Es wird sichtbar der heilige Ernst, das Gewicht, die Wucht, die Kraft göttlichen Handelns.
 
  Jes 55,8f: "Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr, sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken höher als eure Gedanken."
 
  Sinngemäß: So viel der Himmel höher ist als die Erde, ist Gottes Ja höher als euer Ja und Gottes Nein höher als euer Nein; sind Spannung und Kraft zwischen den 'Polen Gottes' größer als ihr denken und ertragen könnt. 
 
   Diese 'göttliche Spannung' können Menschen weder geistlich noch intellektuell beherrschen; sie können diese Energie nicht "ergreifen", d. h. kontrollieren (Jh 1,5). Der Mensch kann vor der Größe Gottes nur die Knie beugen und anbeten . . .
 
 
  Aber genau dies scheint für viele der heutigen Theologen unangenehm oder gar unerträglich zu sein. Sie erwecken den Eindruck, als seien sie nicht gewillt, sich unkontrollierbaren Risiken auszusetzen; als wollten sie nicht, daß "diese über sie herrschen" (Lk 19,14).
 
  Folglich suchten sie nach Abhilfe und verfielen auf einen ganz einfachen Trick: Sie nahmen eine feine Zange und unterbrachen das Kabel zum 'Nein Gottes'; sie zwackten den Draht zum 'göttlichen Minuspol' durch: der Teufel und seine Dämonen - zwack - abgeschafft; Hölle und ewige Verdammnis - zwack - abgeschafft; Gottes Gericht - zwack - abgeschafft; Gottes Zorn - zwack; göttliche Strafe - zwack; alles was unerfreuliche Auswirkungen haben könnte - zwack, zwack, zwack . . .
 
  Und da man einmal dabei war, alles was in der Bibel irgendwie un- angenehm oder peinlich wirkt - zwack - durchgetrennt; die Allmacht Gottes - zwack; die Wunder - zwack; alles Unerklärliche - zwack . . .
  Wohlgemerkt: man hat das alles nicht eliminiert; nein, nein, man hat es nur interpretiert! Man hat Gottes Wort zum Menschenwort erklärt, das man nach Belieben verbiegen, verdrehen und entstellen kann. So wurden alle Risiken - zwack - abgestellt und Gott fällt heute in die Gefahrenklasse "Schoßhündchen".
 
 
  Was bleibt ist eine "Kultur der Bejahung", ein religiöser Streichel-Zoo: ein Gott, der niemals (ernsthaft) nein sagt;  eine Theologie, deren "Rede ja, ja, ja, ja" ist (Mt 5,37); ein Blumenwiesen-Glaube, der ausschließlich Annehmlichkeiten bietet; ein theologisches Gedanken-Gebäude, das haargenau nach den Wünschen seiner Erbauer aufgetürmt wurde . . .  
 
  Kurz: es bleibt genau das, was Kritiker bezeichnen als "Opium des Volkes"; vielleicht auch ein "Schlaraffenland für Theologen": eine intellektuelle Kuschelecke, wo hochintelligente Damen und Herren hoch- intelligente Lehren entwickeln, die sie für weltbewegend bzw. "effektiv das Sein verändernd" halten und gern mit Nietzsches Kritik als (S. 1) "Umwerthung aller antiken Werthe" schmücken.
 
  Eine solche totale Umwertung aller Werte dürften diese Lehren tat- sächlich sein. Allerdings in einem etwas anderem Sinne als beabsichtigt: die 'einpolige' Theologie steht isoliert in einer 'zweipoligen' Welt; ihre spannungslosen Theorien stehen im völligen Gegensatz zu der sie umgebenden, von Spannungen zerrissenen Wirklichkeit.
 


 
  Pluszeichen haben keine verändernde Kraft. Sie beeinflussen die Quantität aber nicht die Qualität. Eine negative Größe kann man mit positiven Zahlen multiplizieren so oft man will, sie bleibt immer negativ. Veränderung wirkt das Minuszeichen. Nur ein Minus vermag aus Negativem Positives zu machen.
 
  Unsere Welt lebt von Gottes Ja, ohne jeden Zweifel. Dennoch gibt es 'negative Größen', die nur durch ein göttliches Minus überwunden werden können. Mitunter braucht es "verzehrendes Feuer", um Raum für neuen Anfang zu schaffen; braucht es ein klares, erlösendes Nein, um einen Menschen von sich selbst zu befreien.
 
  Auch die Medizin kennt das "rettende Nein". Es gibt Krankheiten, da helfen Kamillentee und feuchte Umschläge nicht weiter; da braucht es den Bohrer des Zahnarztes oder das Skalpell des Chirurgen . . .
 
  Heb 4,12: "Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens."
 
  Viele Menschen wissen um das große Minus, das auf ihrem Leben lastet. Sie sind oft genug zerrissen von Schuld, Schmerz, Hoffnungs- losigkeit; manche schreien geradezu nach Hilfe und Trost. Sie suchen - bewußt oder unbewußt - nach Antworten, die durch "Mark und Bein" dringen; die die "Gedanken des Herzens" richten und heilen.
 
  Und genau solche Antworten liefert heutige Theologie nicht. Eine Predigt (und Seelsorge), die nur religiösen Kamillentee und "verbo"- Umschläge liefert, dringt halt nicht durch "Mark und Bein". Wenn Kirche ausschließlich plus, plus und ja, ja sagt, erreicht sie nicht "die Gedanken und Sinne der Herzen" der 'modernen Menschen'.
 
  Denn die spüren offenbar sehr genau: Ein Gott, der immer nur ja sagt, ist keine Hilfe. Eine spannungslose Gnade kann Probleme nicht wirklich lösen. Man kann Sünde endlos mit "Superplus-verbo-Gnadensoße" übergießen - das ändert nichts. Diese Soße dringt nicht tief genug. Im Herzen des Menschen - an den Wurzeln der Probleme - braucht es Hochspannung, damit der Mensch "effektiv verändert" und eine "neue Kreatur" werden kann (2Ko 5,17).
 
  Eine Theologie, die das göttliche Minus ignoriert, kann diese Hoch- spannung nicht leisten. Sie muß sich fragen lassen, ob sie auf den "modernen Menschen" ähnlich wirkt, wie seinerzeit die Gemeinde von Laodizea auf ihre Zeitgenossen; Off 3,15f: "Ich kenne deine Werke, daß du weder kalt noch warm bist. Ach, daß du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde."
 


 
  Jüngel weiß das. Er spürt sehr wohl den Gegensatz zwischen biblischer Spannung und modern-theologischer Plattheit. Allerdings vermag (oder will) er sich nicht für eine der beiden Seiten entscheiden. Er wählt einen Mittelweg. Er legt ein theologisches Not-Stromkabel: den sich selbst bestrafenden Sünder! Gott sei ausschließlich positiv, doch wenn der Mensch sich bockig anstellt, dann schadet er sich selbst.
 
  Vor der Synode 1999: "Wer vor diesem Licht, obwohl er sogar mit Wor- ten auf es hingewiesen wurde, erneut die Augen verschließt, der bleibt in der Finsternis, in der selbstverschuldeten Finsternis. Er               bleibt aber nur deshalb in der Finsternis, weil er in ihr bleiben will."
 
  S. 113: "Es ist zwar in der Theologie üblich geworden, den Begriff der göttlichen Strafe als einen peinlichen Begriff zu meiden. Doch recht verstanden ist er unerläßlich. Es ist wohlgemerkt keine zur Sünde hinzutretende Strafe. Es ist nur die eherne Konsequenz seiner Sünde, der der Sünder nur zu gern entgehen möchte, in die Gott ihn aber 'dahingegeben' hat . . . Das ist der Zorn Gottes, das ist der recht verstandene Zorn Gottes: daß der Sünder an die Konsequenzen seiner Sünde ausgeliefert wird."
 
  Des Professors Gedanken sind in diesem Punkt besonders kompliziert und überfordern einen Laien hoffnungslos. Dennoch, sie laufen darauf hinaus: Wer einigermaßen guten Willens ist, der ist gerechtfertigt; dem hilft Gott irgendwie und irgendwann ins Licht. Wer aber absolut nicht will, der ist zwar auch gerechtfertigt, doch er bleibt verstrickt in seine Sünde und muß deren Folgen tragen.
 
  Gott straft nicht! Gott sagt ausdrücklich nicht nein! Aber er zwingt auch niemanden zu seinem Glück. Er sieht tatenlos zu, wie der Unbelehrbare im Elend umherzappelt. Extrem vereinfacht heißt das wohl: wer die Rechtfertigungslehre anerkennt, kommt ins Licht, dem geht es gut; wer sie ablehnt, bleibt in der Finsternis, dem geht es schlecht.
 
  So elegant und intelligent diese des Professors Gedankengänge auch verschachtelt sind, sie haben einen Mangel. Sie unterschlagen ein Problem, das bereits vor 3000 Jahren Bauch- und Kopfschmerzen verursachte; Ps 73,12: "Siehe, das sind die Gottlosen; die sind glücklich in der Welt und werden reich."
 
 
  Es gibt wahrhaft genug Sünder, denen es dreckig geht, die unter ihrer Sünde leiden. Es gibt aber auch mehr als genug, die das nicht tun. Diese Leute haben sich in Ihrer "selbstverschuldeten Finsternis" behaglich eingerichtet. Sie fühlen sich blendend und schwimmen immer obenauf - wie Fettaugen auf der Suppe.
 
  Ps 94,5ff: "HERR, sie zerschlagen dein Volk und plagen dein Erbe. Witwen und Fremdlinge bringen sie um und töten die Waisen und sagen: Der HERR sieht's nicht und der Gott Jakobs beachtet's nicht."
 
  Es gibt eine Form von Gottlosigkeit, die genau das will: einen passiven Gott, der sich nicht einmischt; der mit "eherner Konsequenz" dem Un- wesen der 'Gottlosen' tatenlos zusieht und niemals mit der Faust auf den Tisch schlägt. (Der sie obendrein - Dank Struktur B - gerechtfertigt hat und mit dem "Lichte der Gnade" bescheint.) Und überall auf der Welt gibt es Opfer dieser Gottlosigkeit. Die "schreien mit lauter Stimme: Herr,         du Heiliger und Wahrhaftiger, wie lange richtest du nicht und rächst         nicht unser Blut an denen, die auf der Erde wohnen?" (Off 5,10)
 
  Sollte Gott diesen Opfern nichts anderes antworten als: Ich strafe nicht; ich kann nur ja sagen. Aber wartet ab, irgendwann werden die Gottlosen sich schon selbst bestrafen ? ? ?
 


 
  Spr 22,15: "Torheit steckt dem Knaben im Herzen; aber die Rute der Zucht wird sie fern von ihm treiben."
 
  Dies gilt nicht nur für Knaben im Vorschulalter. Viele von ihnen bewahren ihre Torheit bis ans Lebensende. Deutschland scheint erfüllt von lärmenden Toren, die zunehmend den Sinn für Realität verlieren. Die ganze Erde droht in einen großen Tanz der Torheit zu taumeln . . .
 
  Was soll aus der Menschheit werden, wenn Gott sie "dahingibt"? Wenn er sie "an die Konsequenzen ihrer Sünde ausliefert"? Wie soll das alles enden, wenn Gott ihrem Treiben tatenlos zuschaut und nicht mit "der Rute der Zucht die Torheit fern von ihr treibt"?
 
  Wenn Gott dieser Welt nicht ein aktives, unüberwindliches Nein entgegenstellt, dann wird es wohl nichts mit dem "Happy End" . . .
 
 
  Jüngel sieht dies durchaus! S. 71: "Theologie und Kirche haben sich fälschlicherweise angewöhnt, Gericht und Gnade als Alternative anzusehen. Doch wir müssen lernen, daß Gott sich gerade im Akt des Richtens als der gnädige Gott erweist. Es wäre ein gnadenloser Gott, der dem Unrecht seinen Lauf ließe. Gott wäre gerade nicht gnädig, wenn er nicht der Richter wäre. Denn dann hätte die Welt- geschichte selber das letzte Wort. Dann würden am Ende die Mörder über ihre Opfer triumphieren. Gibt es eine Rechtfertigung des Sünders, dann also nicht an Gottes Gericht vorbei, sondern durch die Gnade seines Richtens hindurch."
 
  Jüngel sieht die Frage; Jüngel stellt die Frage - aber er beantwortet sie nicht! Bzw. er reagiert auch hier mit der für ihn typischen Inkonsequenz;  S. 72f: ". . . mit dem Wort vom Kreuz, dann heißt das, daß Gottes Gerechtigkeit mit der Ungerechtigkeit dieser Welt keine Kompromisse macht, sondern sie in der Person Jesu Christi zum Vergehen verurteilt hat . . .
  Gottes Gerechtigkeit geht über die Sünde der Welt nicht einfach hinweg, sondern Gottes Gerechtigkeit setzt sich gegen die Ungerechtigkeit durch, indem sie sie im Tode Jesu Christi zum Vergehen verurteilt und zum Vergehen bringt. Der Gekreuzigte steht dafür gut, daß die Ungerechtigkeit aus der Welt geschafft werden wird. Am Kreuz ergeht über sie Gericht."
 
  (Die benutzten Zeitformen wirken eigenartig. Brachte oder "bringt" der Tod Jesu die Ungerechtigkeit zum Vergehen? Erging oder "ergeht" das Gericht am Kreuz? Ist der Tod Jesu ein abgeschlossenes Ereignis oder dauert er noch immer an? Auch und gerade solche Kleinigkeiten bestärken den Argwohn "der Gemeinde": das verschrobene Denken der Fachtheologie ist für 'normale Menschen' ein Buch mit sieben mal siebzig Siegeln; es wirkt halt wie intellektuelle Seifenblasen, die hoch droben über unserer 'normalen', alltäglichen Logik dahinschweben.)
 
 
  Gott übt Gericht am Kreuz Christi. Dort - laut Jüngel aber nur dort und ausschließlich dort - verurteilt Gott alle Ungerechtigkeit dieser Welt, indem er "sie durch den Tod Jesu Christi zum Vergehen verurteilt und zum Vergehen bringt. Der Gekreuzigt steht dafür, daß die Ungerechtig- keit aus der Welt geschafft werden wird".
 
  Wie "die Ungerechtigkeit aus der Welt geschafft werden wird", darüber hüllt Jüngel sich in Schweigen. Der Logik seines Buches folgend kann dies aber nur "solo verbo", allein durch Worte, geschehen. Sollte (evangelische) Predigt tatsächlich das einzige Mittel sein, wodurch Gott diese taumelnde Welt vor der Katastrophe bewahren will? Wenn dem tatsächlich so wäre, dann - buchstäblich - Gute Nacht, du arme Welt.
 
 
  Für die Vorstellungskraft eines Laien gibt es nur eine realistische Hoffnung; z. B. Ps 94,9f: "Der das Ohr gepflanzt hat, sollte der nicht hören? Der das Auge gemacht hat, sollte der nicht sehen? Der die Völker in Zucht hält, sollte der nicht Rechenschaft fordern . . . ?"
 
  Off 14,15f: "Und ein andrer Engel kam aus dem Tempel und rief mit großer Stimme zu dem, der auf der Wolke saß: Schlag an mit deiner Sichel und ernte; denn die Zeit zu ernten ist gekommen, denn die Ernte der Erde ist reif geworden! Und der auf der Wolke saß, schlug an mit seiner Sichel an die Erde, und die Erde ward geerntet."
 
  Off 20,12ff: "Und ich sah die Toten, beide, groß und klein, stehen vor dem Thron, und Bücher wurden aufgetan . . . Und die Toten wurden gerichtet nach dem, was geschrieben steht in den Büchern, nach ihren Werken . . . Und der Tod und sein Reich wurden geworfen in den feurigen Pfuhl. Das ist der zweite Tod: der feurige Pfuhl. Und so jemand nicht gefunden ward geschrieben in dem Buch des Lebens, der ward geworfen in den feurigen Pfuhl. Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde . . . "
 


 
  (In Klammer etwas trockene Laien-Theorie zum Thema "Gesetz". Wen das nicht interessiert, überschlage bitte die nächsten drei Seiten und lese auf Seite 108 weiter . . .
 
  Auch in diesem Punkt ist des Professors Haltung recht zwiespältig. Einerseits passen Gebote nicht recht zu einem ausschließlich gnädigen Gott. Andererseits will oder kann Jüngel das Gesetz nicht völlig abschaffen. Folglich sucht er auch hier einen Mittelweg. Er fällt eine Vorentscheidung; S. 81: "Diese Vorentscheidung besagt, daß das Böse und die Sünde nicht ohne das Evangelium erkennbar sind . . . "
 
  S. 84:"Daß die Sünde, indem sie vergeben wird, als Sünde dingfest gemacht ist, daß das Böse, indem es überwunden wird, als Böses identifiziert und erkannt wird, das kann niemand bestreiten."
 
  Doch, doch; z. B. Paulus bestreitet das. Der ist der Meinung, "durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde" (Rö 3,20) . . . In diesem Zusammenhang ist L bei Jüngel auch einmal - ein einziges Mal - dem göttlichen Nein begegnet; vor der Synode 1999: "Erst als von Gott gerechtfertigter und also bejahter Mensch erkenne ich die ganze Strenge des meine Sünde verurteilenden göttlichen Nein. Recht verstandene Evangelisation und Mission bringen dieses Nein aufgrund des göttlichen Ja zur Geltung . . . "
 
  "Die ganze Strenge des meine Sünde verurteilenden göttlichen Nein" taucht im Buch nicht auf (zumindest nicht so deutlich). Deshalb riecht sie etwas nach diplomatischem Zugeständnis an die grimmigen Evangelikalen in der Synode. Wie dem auch sei, bei Jüngel hat das göttliche Minus alleine keine Bedeutung. Es erlangt nur als Unterfunktion des göttlichen Plus einen gewissen Wert; S. 86: "Das aber vermag das Gesetz nur, weil und insofern das Evangelium das Seine tut. Ohne das Evangelium ist das Gesetz ohnmächtig, unvermögend . . . Das Evangelium gibt dem Gesetz seine - allemal nur begrenzte - Leistungsfähigkeit."
 
  Auf deutsch wohl: sehr viel Ja und danach ein klein wenig Nein; sehr viel Indikativ und später wenig - allemal nur begrenzter - Imperativ . . .
 
 
  Obwohl Jüngels Ausführungen auch an dieser Stelle für einen Laien zu hoch sind, so folgen sie doch einem recht einfachen Schema (vgl. S. 205): Nur wer geweckt wird, weiß, daß er geschlafen hat; nur wer satt ist, versteht, was Hunger ist; nur wer geheilt wurde, erkennt, wie krank er war; nur wer Gnade erfährt, entdeckt, daß er ein Sünder ist . . .
 
  Genau dies ist Rechtfertigungs-Struktur B in Reinkultur! Wenn ein Mensch beginnt, nach Gott zu fragen, dann erkennt er: "Konsekration" ist bereits vollzogen, Rechtfertigung ist "Indikativ". Das heißt: die 'Krise' ist vorüber; Risiken, Pflichten, Verantwortung usw. sind Vergangenheit; jetzt ist alles in Ordnung. (Mehr dazu im folgenden Kapitel II. 5.)
 
  "Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstocket eure Herzen nicht . . . So lasset uns nun Fleiß tun, hineinzukommen in diese Ruhe", sagt der Hebräerbrief (Heb 4,7.11). "Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so kann (mit Gott) nichts mehr schiefgehen . . . denn ihr seid bereits drin in dieser Ruhe", sagt Jüngel. Folglich predigt B "sola gratia" nur die Gnade, um das Minus im Menschen zu überwinden. Für "Fleiß", Gesetz usw. hat man dort kaum Verwendung
 
 
  Nun mögen Elektriker entscheiden, ob das funktioniert: viel Plus und wenig Minus? Für einen Laien erscheint dieses Schema zumindest zweifelhaft. Denn ausgerechnet bei einem von Jüngels Kronzeugen verlief die Entwicklung genau umgekehrt! Luther litt unter der Sünde, lange bevor er um Gnade und Rechtfertigung wußte. Erst die Furcht vor dem göttlichen Minus machte ihn fähig, das Plus zu erkennen.
 
  Auch die Bergpredigt setzt Akzente, die völlig anders klingen; Mt 5,17ff: "Ihr soll nicht wähnen, daß ich gekommen bin das Gesetz oder die Propheten aufzulösen . . . Es sei denn eure Gerechtigkeit besser als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen."
 
  Und nicht zuletzt hat auch Paulus eine durchaus differenzierte Meinung:
Gal 3,24f: "So ist das Gesetz unser Zuchtmeister gewesen auf Christus hin, damit wir durch den Glauben gerecht würden. Nachdem der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter dem Zucht- meister." (Vgl. auch 1Tim 1,8ff ! ! !)
 
  Der "Zuchtmeister" hat eine ganz wesentliche Funktion. Erst - sola fide - durch den Glauben wird man ihn los und zur Freiheit befreit. Darum will Struktur A trösten und  warnen; sie predigt Gnade und  Gesetz!
 
  "Torheit steckt dem Knaben im Herzen, die Rute der Zucht wird sie fern von ihm treiben . . . " Kinder brauchen für eine gesunde Entwicklung beides: Zuwendung und Verständnis - aber auch Konsequenz und klare Regeln. Wird eine der beiden Seiten zu sehr vernachlässigt, droht das Kind Schaden zu nehmen. Torheit steckt dem Sünder im Herzen. Er braucht für eine gesunde Entwicklung beides: Gnade, die ihn leben läßt; und "Zucht", die ihn zur Gnade treibt. Auch der gute Hirte sollte Hunde haben, die bockige Schafe bei der Herde halten. Und dies nicht nur einmal sondern immer wieder!
 
  Genau hier liegen die frühesten Wurzeln unserer Kirche. Luthers 95 Thesen beginnen: "Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht: 'Tut Buße' usw. (Matth.4,17), hat er gewollt, daß das ganze Leben der Gläubigen Buße sei."
 
  [Klammer in der Klammer: Vielleicht sollten diese 95 Thesen erneut angenagelt werden - an die Türen der Hörsäle aller theologischen Fakultäten!?  Z. B. These Nummer 3: ". . . vielmehr ist die innere Buße nichts, wenn sie nicht nach außen vielerlei Abtötung des Fleisches bewirkt." 
  Oder Nr. 35: "Unchristliches predigen die, die lehren, zum Loskauf von Seelen . . . sei überhaupt keine Reue nötig".
  Sehr schön ist auch Nr. 49 (sinngemäß): "Man muß die Christen lehren: Die Gnade der Theologen ist nützlich, wenn man nicht sein Vertrauen in sie setzt; aber sie ist äußerst schädlich, wenn man ihretwegen die Furcht Gottes fahren läßt." Innere Klammer zu.]
 
  Es ist wie beim elektrischen Strom: Plus und Minus bedingen einander; Gnade und Gesetz wirken zusammen. Wer das Minuskabel beschädigt, läuft Gefahr, alles zu zerstören. Es bleibt nicht etwa nur wohlige Plus-Wärme, sondern der Strom ist völlig weg. Und es wird kalt und dunkel . . .   Äußere Klammer zu)

 

 

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Rechtfertigung

II. Konkrete Fragen

II. 4. Das 'Urwort des Seins'

Laien-Kommentar

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