Vorträge
Warum läßt Gott das zu?
Der christliche Glaube und die Frage nach dem Leid
Falls jemand von Ihnen in jungen Jahren den Konfirmanden-Unterricht besucht hat, können Sie sich vielleicht noch an die berühmte Bibelstelle erinnern: "Denn also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern ewiges Leben haben."
Gott liebt die Welt - eine Grundaussage des christlichen Glaubens. "Gott ist Liebe!" steht in der Bibel. Sie ist voll solcher Sprüche. Es gibt zahllose Lieder mit dieser Aussage: "Gott ist die Liebe . . . er liebt auch mich." oder ". . . alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lieb' in Ewigkeit." Diese Gedanken sind so verbreitet und selbstverständlich, daß sehr oft - ohne Nachzudenken - vom "lieben Gott" geredet wird.
Die andere Seite - irgendwo habe ich mal gelesen: "Wenn jemand einmal miterlebt hat, wie ein Kind an Leukämie gestorben ist, für den hat sich das Thema 'Gott der Liebe' erledigt. Oder, ich kenne einen Mann, der mußte als Kind zusehen, wie sein Vater ein Grab schaufeln mußte, dann erschossen und darin verbuddelt wurde. Dieser Mann sagt, Gott ist für mich gestorben. Selbst wenn es einen gäbe, wenn er so etwas zuläßt, dann will ich mit solch einem Gott nichts zu tun haben.
Wir brauchen nur die Tagesschau anzusehen: die Welt ist voll unbegreiflicher Ereignisse. Ich nehme an, daß auch einige von uns Dinge erlebt haben, wo man sich fragt: Wenn tatsächlich ein Gott da sein sollte, wieso hat er mich dann in dieser oder jener Situation so hängen lassen?
Die Frage ist: Wie paßt das zusammen? Ein Gott, der diese Welt liebt; ein Vater im Himmel, der seine Menschen-Kinder buchstäblich lieb hat, "Vater unser im Himmel" - und der Zustand dieser Welt, all der unsägliche Schmerz, das Elend, das Leid der Menschen?
(Oder allgemein formuliert: Wieso gibt es gleichzeitig, nebeneinander sehr schöne und sehr häßliche Dinge? Wieso gibt es beides - Freude und Schmerz? Wieso gibt es diese gewaltige Spannung zwischen Gut und Böse?)
Diskussion ? ? ?
Dieses Thema hat zwei Haken.
1. Der Begriff "Gott" wird sehr häufig gebraucht, aber oft wird nicht deutlich, was damit eigentlich gemeint ist. Mit diesem Begriff werden die unterschiedlichsten Vorstellungen verbunden.
Wenn ich von "Gott" rede, dann meine ich den Gott, der "Himmel und Erde gemacht hat". D. h., es gibt jemanden, der Sonne, Mond, Sterne - das ganze riesige Weltall gewollt, geplant und geschaffen hat. Der Menschen, Schmetterlinge, Blumen, Zellen - die kleinsten Details - konstruiert und (wie auch immer) 'hergestellt' hat. Und der auch heute noch unsere Welt, die größten und die kleinsten Dinge, kontrolliert und am Bestehen erhält. Wenn ich von Gott rede, dann meine ich allen Ernstes und wortwörtlich: "Ich glaube an Gott den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde."
(Mitunter kommen schlaue Theologen, die versuchen den Widerspruch zwischen dem 'lieben Gott' und der 'bösen Welt' zu lösen, indem sie behaupten: "Gott ist Liebe, aber er ist nicht allmächtig. Gott will das Böse nicht, aber er kann es nicht verhindern."
Solche Erklärungsversuche laufen letztlich darauf hinaus, daß Gott ein alter Mann mit langem weißem Bart ist, der irgendwo im Himmel sitzt und jammert. Das ist schlicht Blödsinn. Einen Gott, der ein zahnloser, tattriger Opa ist, der zwar will aber nicht kann - einen solchen Gott gibt es nicht. Zumindest nicht in der Bibel.)
Es gibt Leute, die argumentieren: Kriege z. B. werden von Menschen gemacht, deshalb sind Menschen auch Schuld an diesen Kriegen. Folglich kann man die Verantwortung dafür nicht Gott in die Schuhe schieben. An solchen Gedanken ist sicherlich was dran. Der Haken ist bloß: ein allmächtiger Gott könnte Kriege verhindern. Wenn er das aber nicht tut, dann stimmt er zu, dann ist er damit einverstanden. Wenn Gott etwas gegen Kriege tun kann und er tut es nicht, dann will er sie auch. Dann ist er letztlich mit dafür verantwortlich.
In der Bibel steht klar und deutlich: "Es fällt kein Sperling vom Himmel ohne Gottes Willen." Es geschieht nichts, ohne den Willen Gottes. Sogar die Haare auf dem Kopf eines Menschen sind von Gott gezählt. Der christliche Glaube kommt nicht daran vorbei: Auch das Böse in der Welt ist letztlich von Gott gewollt. ("Ist etwa ein Unglück in der Stadt, das Gott nicht tut? Am 3,6)
2. Haken: Wenn hier lauter Leute säßen, denen es rundherum gut geht, die keinerlei Sorgen habe, dann könnten wir das Thema gemütlich, allgemein philosophisch am grünen Tisch abhandeln. Wenn hier aber jemand wäre, dem - als Beispiel - sein Arzt heute Morgen gesagt hat: Sie haben Krebs und nur noch sechs Wochen zu leben. Oder wenn hier jemand wäre, der vor einer Woche einen nahe stehenden Menschen durch Unfall verloren hat, dann könnte ich nicht so allgemein daher schwätzen. Dann müßte man diese Frage ganz, ganz anders anpacken.
Die Art und Weise, wie man dieses Thema angeht, ist abhängig von unserer jeweiligen Lebenssituation. Ich will versuchen, beide Blickwinkel vorzustellen. Zunächst die 'allgemein philosophische Perspektive' und später - sofern Sie mich am Leben lassen - die persönliche Seite.
I. Theorie
Wie paßt das zusammen, der 'liebe Gott' und die 'böse Welt'?
Auf diese Frage gibt es keine Antwort. Eben so wenig wie es einen Beweis gibt, daß Gott existiert; eben so wenig gibt es eine 'Formel', die dieses Thema erschöpfend und für alle überzeugend erklärt. Aber es gibt Hinweise, Denkansätze, geistige Geh-Hilfen, über die nachzudenken lohnt.
Punkt 1: Nach christlichem Verständnis ist Gott nicht nur unsichtbar, sondern für Menschen völlig unfaßbar. D. h., er ist unserem Denken, unserem Verstehen, unserem Vorstellungsvermögen vollständig verborgen. Wir könnten 100x um die Erde herum laufen und bis in die hinterste Ecke des Weltalls fliegen, wir würden Gott nicht finden.
Aber nicht nur das. Wir würden auch keine einzige zuverlässige Information finden darüber, wer Gott ist; was er denkt und wie er denkt. Wenn ich z. B. in die Alpen fahre und mir dort von einem Berg aus die Welt ankucke (oder wenn ich mir ein neugeborenes Kind anschaue, eine Blume oder die grauen Haare meiner Frau), dann staune ich, wie wunderbar unsere Welt eingerichtet ist. Dann ahne ich, daß es etwas Größeres und Besseres geben muß, als ich mir vorstellen kann. Aber spätestens dann, wenn die nächste Lawine runterkommt und Menschen verschüttet, weiß ich erneut nicht mehr, was ich denken soll.
Wir wissen nicht, wer Gott ist; und wir wissen nicht, wie Gott ist. Das ist völlig außerhalb unseres Vorstellungsvermögens. Gott paßt nicht in unser Gehirn. Bis auf eine Ausnahme (Bild: Christus am Kreuz von M. Grünewald): Der christliche Glaube besagt, Gott ist in der Person von Jesus Christus Mensch geworden und ist für die Menschen gestorben. Gott starb für unsere Welt, für die Menschheit, für jeden einzelnen Menschen, für mich und für Sie.
Ich gebe zu, für einen heutigen, normalen Menschen klingt das wie unverständlicher Blödsinn. Aber nach christlichem Verständnis ist das der einzige Punkt in der Weltgeschichte, wo wir Gott buchstäblich sehen können; wo wir etwas Genaues und Zuverlässiges über Gott erfahren können. So ist Gott. So denkt Gott, so fühlt Gott, so handelt und so liebt Gott - er läßt sich für uns umbringen.
Dieser eine Punkt, dieses eine Ereignis - Gott stirbt für uns - ist der Schlüssel zur Wahrheit; ist eine Art 'Schlüsselloch'. Wenn wir da durchschauen, können wir ein Stück vom Himmel sehen; können wir ahnen, wie Gott ist.
Auch auf die Gefahr hin, daß Sie mir den Kopf abreißen: Nach christlichem Verständnis (!) haben wir alle, wenn wir auf die Menschen und das Leben schauen, einen getrübten, verzerrten Blick. Wir sind in höchstem Maße kurzsichtig. Dieses Ereignis - Gott stirbt für uns - ist die Brille, durch die wir einen klaren Blick bekommen: sowohl auf Welt als auch auf unser eigenes Leben.
Punkt 2: Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erden, hat - im Bilde gesprochen - an seinem himmlischen Computer gesessen und diese Welt konstruiert. Aber er hat in das Programm eine riskante Variante eingebaut: den freien Willen des Menschen.
Gott hat den Menschen die Wahl gelassen: Wollt ihr tun, was ich will; oder wollt ihr tun, was ihr wollt? Wollt ihr nach meinen Regeln, nach meinen Geboten, nach meinem Programm leben; oder wollt ihr euch eigene Regeln aufstellen und ein eigenes Programm schreiben?
Und die Menschheit hat sich gegen Gott entschieden. In der Bibel ist das die Geschichte von Adam und Eva und der Schlange und dem Apfel. Die meisten Menschen interessiert nicht, was Gott sagt. Sie machen, was sie wollen. Sie leben nicht so, wie Gott es ursprünglich gewollt hat. Und prompt gibt es Probleme. Wir brauchen uns nur umzusehen - es geht vieles schief; es gibt einen Haufen Ärger.
Mit anderen Worten: Unsere Welt ist krank. Gottes Computer-Programm ist gestört. Es steckt ein Virus drin. (In der Kirche nennt man den Sünde) Und dieser Virus hat die Verbindung zwischen Mensch und Gott gestört; er zerfrißt die Verbindungen der Menschen untereinander, verursacht Ärger, Streit, Haß. Jetzt droht er sogar die Natur, die ganze Erde aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ein Druck auf den falschen Knopf und wir haben einen Atomkrieg. Kein Mensch weiß, was in solch einem Fall hinterher noch übrig bliebe.
Und Gott? Er sitzt nicht etwa vor seinem himmlischen Bildschirm und schaut interessiert zu, wie die Menschen sich gegenseitig die Schädel einschlagen. Hätte er ja machen können - abwarten, bis hier unten die letzten Lichter verlöschen und sich dann ein neues, besseres Programm schreiben.
Gott hat etwas anderes getan. Er ist gewissermaßen in seinen Computer hinein gekrochen. Gott kam als Mensch in unsere kranke Welt. Er wurde Teil des Programms und hat sich selber diesem Virus entgegengestellt.
Und hier am Kreuz ist der Punkt, wo Gott und die Sünde aufeinander gekracht sind. Hier ist der Punkt, wo am deutlichsten sichtbar wird, wie furchtbar dieser Virus ist. Gott selber wird von ihm zerstört. Aber hier ist auch der Punkt, wo dieser Virus besiegt worden ist. Wo ein Gegenprogramm, ein Anti-Viren-Programm, installiert wurde.
Punkt 3: Das Merkwürdige dabei ist, Gott unterwirft sich den Spielregeln, die hier auf der Erde gelten. Er stellt sich dem Schmerz, dem Leid, dem Tod. Gott weicht dem nicht aus. Er geht ganz bewußt und freiwillig da mitten hinein.
Das unterscheidet das Christentum von allen anderen. Juden, Moslems usw. haben auch einen Gott. Aber der ist weit weg, irgendwo da oben; der erledigt seine Geschäfte aus sicherer Entfernung.
Nach christlichem Verständnis ist Gott uns ganz nahe gekommen, hat sich unserem Leben gestellt. Er hat all das, was Menschen durchmachen müssen, selber durchlebt. Auch das Schlimmste, was jemals ein Mensch erlitten hat, hat Gott selber am eigenen Leib erfahren.
Das ist die Theorie. Aber falls die tatsächlich stimmt - und Christen glauben, daß dies tatsächlich so geschehen ist. Deswegen hängen in jeder Kirche Kreuze - wenn das wirklich stimmt, und Gott sich freiwillig Schmerz, Leid und Tod ausgesetzt hat, dann gibt es nur einen Schluß: Diese Dinge haben einen Sinn. Leid und Schmerz erfüllen eine Funktion, die durch nichts anderes ersetzt werden kann.
Es geht nicht anders. Es gibt eine Form von Schmerz und Leid, die muß sein; die hat einen Sinn. Die bewirkt etwas, was auf andere Weise nicht zu bewirken ist.
Gott macht das alles mit, um uns zu helfen. (Wie, kommt später noch.)
Gott leidet und stirbt, und es kommt etwas unbeschreiblich Gutes heraus.
Ich bin überzeugt, daß es ebenfalls auch Leid von Menschen gibt, das etwas Positives für andere bewirkt. Es ist möglich, daß einzelne Menschen sehr schwere Dinge durchmachen, weil dadurch etwas Gutes bewirkt wird, das auf andere Weise nicht bewirkt werden kann.
Hier ist der Punkt, wo die Spekulationen anfangen. Wo man sehr heftig diskutieren kann. Ich stelle trotzdem einige Thesen in den Raum:
a) die griffigste, aber auch die gefährlichste These: 6 Millionen Juden mussten sterben, damit aus ihrem Leid der neue Staat Israel erstehen konnte.
b) „Das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche.“ Menschen werden um ihres Glaubens willen getötet - und aus ihrem Blut erwachsen neue Christen. Man braucht sich nur umzusehen in der Welt: Wo Christen im Wohlstand leben, schrumpfen die Kirchen; wo Christen verfolgt werden, dort wachsen sie.
c). Bodelschwingh: Ihm sind innerhalb von 10 Tagen alle vier Kinder gestorben – erst dadurch wurde er fähig, so vielen Menschen eine so große Hilfe zu werden.
d) Es ist denkbar - man braucht viel Phantasie dazu - aber ich halte es für möglich, daß eine Mutter an Krebs leiden muß, weil ihr Kind dadurch vor noch schlimmerem Unheil bewahrt werden kann.
Spekulationen. Aber ich glaube, daß es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als unsere Schulweisheit sich träumen läßt. Ich glaube, daß es eine Form von Leid gibt, aus der viel, viel Gutes entsteht.
Punkt 4: Doch leider, das ist nicht alles. Wenn ich mir absichtlich mit 'nem Hammer auf den Daumen haue, brauche ich mich nicht zu beklagen, daß der weh tut. Wenn ich eine Bank überfalle, brauche ich mich nicht zu wundern, wenn ich hinterher im Gefängnis lande. Da hat es dann keinen Zweck, sich bei Gott zu beschweren. Das habe ich mir selber eingebrockt.
Gott hat uns die 10 Gebote gegeben. Du sollst nicht ehebrechen, nicht stehlen, nicht lügen, nicht hassen, dich nicht mit dem Teufel einlassen usw. Wenn ich die nicht beachte, dann hat das für mich negative Folgen. Dann schade ich mir selber. Vieles Schlechte, was geschieht, ist tatsächlich die Folge menschlicher Dummheit und menschlicher Schuld.
Wenn ich etwas falsch gemacht habe, dann nützt es nichts, sich bei Gott zu beklagen, "warum läßt du das zu". Dann gibt es nur eines, (siehe Bild) hierher zum Kreuz gehen und Gott um Vergebung bitten. Und das ist das ganz Große am christlichen Glauben, daß Gott uns unsere Schuld vergibt und uns von den negativen Folgen unserer Fehler befreit. Weil Jesus Christus für uns gestorben ist, gibt es wirkliche Hilfe.
Hier kann jeder Hilfe finden. Allerdings er muß er zum Kreuz gehen und dort diese Hilfe abholen. Wenn man nicht zu Gott geht, dann kriegt man diese Hilfe nicht. Als Gott hier am Kreuz sein Anti-Viren Programm schrieb, hat er nicht automatisch die ganze Welt von dem Virus der Sünde befreit. Er hat lediglich eine Software entwickelt, die Hilfe möglich macht. Gott bietet uns sein Programm an, aber anwenden müssen wir es selber.
Und genau da liegt das Problem. Wenn ich jetzt zu meinem Nachbarn sagen würde: "Lieber Herr Nachbar, sie haben einen Virus. Dieser Virus hat ihnen in der Vergangenheit großen Schaden zugefügt; der wird ihnen auch in Zukunft großen Schaden zufügen und irgendwann wird der sie einmal völlig kaputt machen." Dann würde der Nachbar vermutlich denken: "Armer Irrer, du läufst nicht ganz rund." Laut würde er sich vielleicht etwas vorsichtiger ausdrücken, aber es liefe sicher auf dasselbe hinaus.
Solange es den Menschen gut geht, sind die wenigsten bereit, auf Gott zu hören. Wir leben unser Leben, kümmern uns um alles Mögliche, aber Gott interessiert uns nicht. Erst wenn es den Leuten schlecht geht, wenn sie mal richtig auf die Nase fallen, dann fangen einige an nachzudenken.
Die Sünde ist ein Virus, der die Welt, die Gesellschaft und uns selbst, unsere Seelen, zerfrißt. An manchen Orten sieht man das mehr, an anderen weniger. Bei dem einen Menschen spürt man das deutlich, bei anderen merkt man das kaum. Aber befallen sind wir alle.
Der Haken ist, wir haben keine Vorstellung, wie groß das das Problem ist. Genau so wenig wie wir Gott verstehen oder erfassen können; eben so wenig verstehen oder erfassen wir das Problem der Sünde. Wir wissen nichts von Gott; wir wissen nichts von unserer Zukunft, was nach dem Tod passiert; wir wissen nicht, in welcher Gefahr wir uns befinden.
Wie groß diese Gefahr, ist können wir nur ahnen, wenn wir anschauen, was Gott durchmachen mußte, um uns daraus zu retten. Und weil normalerweise kaum ein Mensch, solange es ihm gut geht, freiwillig über diese Dinge nachdenkt, rüttelt Gott ab und zu an dieser Welt. "Denkt nach!" Deshalb läßt Gott zu, daß diese Dinge auch unser Leben ab und zu kräftig durchschütteln: "Denke nach. So glatt, wie dein Leben bisher verlaufen ist, wird es nicht endlos weitergehen. Laß' dir jetzt helfen, denn irgendwann wird es einmal zu spät sein."
II. Praxis
Angenommen, hier säße ein junger Mann, 26 Jahre alt. Anfang Juli diesen Jahres war er baden, hat 'nen Kopfsprung gemacht, ist mit dem Kopf irgendwo aufgeschlagen und hat sich den Hals gebrochen. Seitdem ist er querschnittsgelähmt. Jetzt sitzt er hier im Rollstuhl und fragt: "Warum hat Gott mir das angetan?" Oder hier säße eine Frau, der der Arzt vor einer Woche gesagt hat: “Sie haben Krebs.“
Solche und ähnliche Dinge geschehen ja immer wieder. Von einer Sekunde auf die andere kann ein Leben vollkommen aus den Fugen geraten. Und der Betroffene bleibt zurück mit der Frage: "Warum?" oder "Warum gerade ich?".
Auch hier weiß ich nichts zu sagen. Ich kann mich nicht hinstellen und behaupten: “Irgendeinen Sinn wird es schon haben.“ Es wäre absolut vermessen, wenn jemand, dem es gut geht, einem solchen Menschen Ratschläge erteilt. Der käme sich wahrscheinlich veralbert vor. Ich kann mich nicht in seine Lage versetzen. Ich habe keine Ahnung, wie ihm zumute ist und was in ihm vorgeht. Ich kann nur den Mund halten. Oder wie es die Bibel ausdrückt: "Sitze und schweige, wenn Gott solches auferlegt. Stecke den Mund in den Staub, vielleicht ist noch Hoffnung."
Nun macht es aber einen schlechten Eindruck, wenn bei einer solchen Veranstaltung der 'Referent' sich hinstellt und nicht weiß, was er sagen soll. Deshalb nehmen wir mal an, der Mensch im Rollstuhl klagt mir sein Leid. Er redet und redet. Und irgendwann sagt er dann: "Du tust immer so, als wüßtest du alles. Bitteschön, nun sag mal was dazu." Dann, und nur dann, würde ich zu ihm sagen:
Punkt 1: Der christliche Glaube steht und fällt mit zwei Ereignissen. Eines davon ist dieses, Gott stirbt für diese Welt. Gott stirbt freiwillig für uns Menschen, und zwar für alle Menschen. Auch für dich!
Das bedeutet: Gott interessiert sich für uns. Wir sind ihm nicht egal. Es ist ja häufig so, solange es uns gut geht, haben wir viele Freunde. Sobald es uns dreckig geht, werden es spürbar weniger. Und die Nahestehenden, die dann noch bleiben, haben oft genug mit sich selbst zu tun. Sie haben ihre eigenen Sorgen. Und dadurch entsteht mitunter der Eindruck: Es interessiert keinen Menschen, wie es mir geht. Wenn ich draufgehen würde - das Leben um mich herum ginge völlig ungerührt weiter. Kein Hahn würde nach mir krähen.
Der christliche Glaube sagt: So ist es nicht. Es gibt jemanden, dem sind wir nicht egal. Es gibt jemanden, dem wir etwas bedeuten, dem wir wichtig sind. Gott interessiert sich für dich. Wie sehr, das kannst du hier – bei Jesus am Kreuz - ahnen. Auch für dich hat er das erlitten.
Punkt 2: Und, wenn das stimmt, dann hat Gott ähnliches durchgemacht wie du; d. h., Gott kann sich in deine Lage versetzen, er weiß wie es in dir drinnen aussieht – er hat es ja selber erlebt. Du bist nicht nur von Leuten umgeben, die dumme Sprüche klopfen. Es gibt jemanden, der weiß, was in dir vorgeht. Der weiß, was du denkst; der weiß, was dich so fertig macht.
Du kannst mit ihm reden. Du kannst ihm alles sagen - deine Fragen, deinen Ärger, deine Wut, die Sorgen, die Angst, alles. Er hört dir zu, wenn du betest. Und er wird dir antworten. Das kann man nicht beschreiben, das muß man erleben. Aber wenn man einmal erlebt hat, daß Gott antwortet, dann weiß man, daß dies keine Einbildung ist. Und dann weiß man auch, welch große Hilfe das ist: Es gibt jemanden, der dich versteht; mit dem du über all das reden kannst.
Punkt 3: In der Bibel steht über Gott: "Von allen Seiten umgibst du mich, und hältst deine Hand über mir." Oder "ich bin bei euch alle Tage." "Der dich behütet schläft nicht." Gott ist immer bei dir. Am Tag und in der Nacht, selbst wenn du im allergrößten Schlamassel steckst. Es gibt jemanden, der wird dich niemals alleine lassen, niemals. Ganz egal, wo du bist, was du tust. Es ist jemand in deiner Nähe, der es gut mit dir meint.
Und dieser Jemand ist kein Papier-Tiger. "Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat." Gott ist die stärkste Kraft im Weltall. Und die ist auf deiner Seite. Ich weiß nicht, warum Gott dich in diese Lage gebracht hat. Aber ich glaube, daß er dir helfen wird. Das ist nicht gerade logisch, aber trotzdem bin ich davon überzeugt: Ganz egal, welche Probleme in naher und ferner Zukunft auf dich zukommen - Gott wird dir helfen, das durchzustehen. Er wird dafür sorgen, daß es immer einen Weg gibt – auch für dich.
Punkt 4: Es gibt im Leben jedes Christen Zeiten, wo wir beten und beten und Gott antwortet nicht. Wir haben große Probleme und bitten Gott um Hilfe – aber nichts passiert. Das ist ein umfangreiches zu Thema, dazu brauchte es drei Extra-“Predigten“. Deshalb nur kurz:
a) Es gibt mitunter Dinge, mit denen werden wir nicht allein fertig. Dann empfiehlt es sich, jemanden zu suchen, der mit uns oder für uns betet. (Jemanden zu finden, zu dem man das nötige Vertrauen hat und der auch wirklich beten kann, ist u. U. nicht einfach. Dennoch lohnt es sich, ernsthaft danach zu suchen.) Solch ein gemeinsames Gebet kann eine ganz, ganz große Hilfe sein.
b) Als Jesus am Kreuz hing, hat er geschrieen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Jesus war in allergrößter Not und von Gott war nichts mehr zu spüren. In solchen Situationen sollte man sich an die bekannte Geschichte erinnern:
Eine Frau hatte einmal einen Traum. Sie sah ihr ganzes vergangenes Leben vor sich. Und mittendurch, wie am Strand, ihre Fußspur. Und daneben verlief noch eine zweite Fußspur, die Spur von Jesus, der sie begleitet hat. Aber an den Stellen ihres Lebens, wo sie es ganz besonders schwer hatte, war nur eine Spur zu sehen.
Daraufhin fragt sie Jesus: Wieso hast du mich ausgerechnet an den Stellen, wo ich deine Hilfe ganz besonders dringend gebraucht hätte, allein gelassen? Und Jesus antwortet ihr: Dort, wo du nur eine Spur siehst, ist das nicht deine Spur, sondern meine. An diesen Stellen habe ich dich getragen.
Es gibt jemanden, der ist immer bei dir, der hilft dir - und wenn es ganz eng wird, dann trägt er dich.
Punkt 5: Dies hier – Jesus am Kreuz - ist der eine Dreh- und Angelpunkt des christlichen Glaubens. Es gibt noch einen: Jesus Christus ist für uns gestorben - aber zwei Tage später ist er auferstanden. Zu Ostern ist etwas völlig Unvorstellbares passiert. An diesem Tag hat etwas absolut Neues begonnen. Die Bibel sagt, Jesus war der erste, der auferstanden ist, und irgendwann wird er uns nachholen. Auch wir werden auferstehen.
Das bedeutet: auch dein Leiden wird irgendwann einmal zu Ende sein. Dann wird auch für dich - irgendwann - etwas völlig Neues beginnen. Du wirst auferstehen und wieder völlig gesund sein. Gott wird abwischen alle deine Tränen. Und dann wirst du verstehen, warum alles so kommen mußte.
Amen.
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