Presse-Andachten
Platon und seine Höhle
Die alten Griechen waren kluge Leute. Ihr Philosoph Platon zum Beispiel hat sich ein "Höhlengleichnis" ausgedacht, das zumindest unter Philosophen weltberühmt wurde. Darin sagt Platon unter anderem: Das, was wir tagtäglich erleben, was wir für Realität halten, sei nur wie Schatten an der Wand einer halbdunklen Höhle. Die wahre, entscheidende Wirklichkeit fände sich aber außerhalb dieser Höhle; dort, wo die Sonne helles Licht verbreitet.
Nun ja; aber immerhin soll ca. 400 Jahre später in Jerusalem eine merkwürdige Geschichte passiert sein: Eine Art Kollege von Platon, eine Mischung aus Philosoph und Wundertäter, wurde hingerichtet wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses. Dies geschah auf äußerst brutale Weise, indem man ihn lebendig an ein großes Holzkreuz nagelte und daran verrecken ließ. Als er tot war, hat man ihn begraben; nicht wie heute bei uns unter der Erde sondern in einer Art Gruft, einer künstlichen Höhle in einem Felsen. Kurz darauf behaupteten einige seiner Schüler, er lebe wieder. Sie hätten ihn - nach seiner Beerdigung - gesehen und mit ihm gesprochen.
Es gibt nun zwei Möglichkeiten. Entweder ist diese Geschichte eine Legende oder ein Irrtum oder gar vorsätzlicher Betrug. Dann wäre auch der ganze christliche Glaube ein einziger gigantischer Schwindel. Oder aber Jesus Christus ist tatsächlich auferstanden; sprich: er ist durch den Tod hindurch in eine andere Realität, in die eigentlich, die entscheidende Wirklichkeit gelangt. Dann wäre dies der Praxis-Beweis für Platons Theorie. Dann wäre das, was wir wahrnehmen, eingeschlossen oder durchdrungen von einer ungleich größeren und reicheren Wirklichkeit. Dann wäre unser Leben tatsächlich nur wie Schatten in einer halbdunklen Höhle - gemessen an dem Licht dieser anderen, der wirklichen Welt.
In einem wichtigen Punkt sind Platon und der christliche Glauben allerdings sehr verschiedener Meinung: Für die alten Griechen führte der Weg ins wahre Licht über Bildung und Wissen; er war wohl nur von starken und intelligenten Menschen zu bewältigen. Der Weg des christlichen Glaubens dagegen heißt Gnade; er ist ein Geschenk. Das Licht aus der Ewigkeit Gottes wird ausdrücklich und ganz besonders den Schwachen angeboten, denen "die zerbrochenen Herzens", die "mühselig und beladen" sind, denen die "töricht sind vor der Welt", die gering sind und verachtet. Denen, "die nichts sind", bietet Gott seine Liebe und seinen Reichtum in ganz besonderer Weise an.
Dennoch geben Christen Platon in vielen Punkten Recht. Für uns sind Karfreitag und Ostern wie ein kleiner Spalt in der Wand der Höhle, in der wir und unsere Leben gefangen sind. Wenn wir dort hindurchsehen wollen, werden wir nicht viel erkennen. Unsere Augen sind dem Licht der Wirklichkeit Gottes nicht gewachsen. Dennoch dringt durch diesen Spalt ein feiner Strahl hellen Lichtes, der schon unzählig vielen Menschen Trost und Mut und Kraft und Hoffnung gegeben hat. Deshalb singen Christen in aller Welt - nicht nur am Ostersonntag - voller Dankbarkeit und Freude:
Christ ist erstanden von der Marter alle;
des solln wir alle froh sein,
Christ will unser Trost sein ...
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