Presse-Andachten
Worte aus der Kirche 22. 09. 12
Man muss die Feste feiern ...
Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich an dieser Stelle geschrieben: "Manchmal kommt es knüppeldicke! Im April Goldene Hochzeit meiner Eltern; im Mai der 70. Geburtstag meines Vaters; im September mein 50. Geburtstag und einen Tag später der 70. meiner Mutter; im Oktober unsere Silberne Hochzeit (…) 50 Jahre sind - selbstverständlich! - kein Alter; aber ich spüre, ich bin nicht mehr der Jüngste. Auch an mir nagt der Zahn der Zeit: hier zwickt es, da sticht es und dort fängt es an zu klappern (…) Die beiden Großen gehen gerade aus dem Haus, das Nesthäkchen bringt noch allerhand 'Leben in die Bude', aber einmal wird auch sie gehen. Was wird mir bleiben in 10, 20, 30 Jahren?"
Seit diese Zeilen geschrieben wurden, sind nun 10 Jahre vergangen. Mein 60 Geburtstag liegt schon wieder drei Wochen hinter mir. Es zwickt und sticht und klappert vieles spürbar stärker als damals. Die Kinder sind nun alle aus dem Haus. Im Mai ist mein Vater 80 geworden. In zwei Wochen werden es 35 Jahre, dass meine arme Frau mit mir verheiratet ist. (Wie sich diese Hochzeit nennt, weiß ich nicht?) Die diamantene meiner Eltern konnte nicht gefeiert werden. Denn im Februar 2010 wurde bei meiner Mutter Krebs festgestellt. Fast zwei Jahre hat sie gekämpft. Doch Ende vergangenen Jahres, vier Monate vor der diamantenen Hochzeit, hat sie diesen Kampf verloren.
Die 22 Monate, in denen sie von ihrer unheilbaren Krankheit wusste, waren nicht leicht. Aber dennoch waren sie im Grunde eine gute Zeit. Meine Mutter hat die Chemo-Therapie erstaunlich gut verkraftet. Sie war immer voller Zuversicht und ist sogar noch in aller Ruhe umgezogen. Ich war die meiste Zeit weit weg, deshalb habe ich vieles nicht mitbekommen. Aber ich habe sie niemals klagen hören. Im Gegenteil, sie sagte immer: "Nicht traurig sein! Und auf meiner Beerdigung nur Loblieder singen." Sie wurde dann immer schwächer, bis sie am 07. Dezember buchstäblich eingeschlafen ist.
Nun liegt sie in ihrem Grab neben der Kirche in meinem Geburtsort. Doch über diesem Grab steht unsichtbar, aber dennoch ganz groß ein gewaltiges Wort; ein im Grunde unfassbar großes und schönes Wort: "Heimgegangen!" Sie hat es geglaubt, und wir glauben es: Ihr krebsverseuchter Körper liegt im Grab und fault vor sich hin. Aber sie selbst liegt nicht da drin. Denn: sie ist heimgegangen. Sie ist jetzt dort, wo ihr wirkliches Zuhause ist. Sie ist in der Ewigkeit bei Ihrem Gott und bei unserem Gott.
Was wird mir bleiben in 10, 20, 30 Jahren? Vor 10 Jahren hatte ich geschrieben: "'Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!' Dies wird bleiben! Über allen Fragen, über aller Unruhe, über allen Ängsten gibt es etwas, das ist größer als wir. Über der rasenden Zeit wacht einer, der sich nicht verändert. Von ihm bekommt unser Leben Sinn und Ziel. Unsere Zukunft ist in seiner Hand (…) Wenn es mit der Gesundheit immer mehr bergab geht, Gott steht mir bei. Wenn irgendwann meine letzte Stunde schlägt, 'unser Vater im Himmel' trägt mich durch den Tod hindurch in seine Ewigkeit. "
Dass dies keine Spinnerei ist, konnte ich bei meiner Mutter miterleben. Ihr Glaube hat sich bewährt. Er hat sie getragen auch in ihren letzten, schwersten Stunden. Deshalb kann ich nur wiederholen: "Auch für Christen gibt es im Grunde nichts, was wirklich sicher ist - außer Gottes Zusage: 'Fürchte Dich nicht, denn Du bist mein!'" Daran hat sich nichts geändert.
Andreas Rau
Ev. Kirchgemeinde St. Marien, Haldensleben
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