Presse-Andachten
Worte aus der Kirche 14. 08. 10
Die Berge Israels
Die Bibel ist ein Buch voller Gegensätze und Spannungen. Darin finden sich unbeschreiblicher Trost und unendliche Verzweiflung, alles Verstehen übersteigende Liebe und bitterernste Gerechtigkeit; es finden sich Gnade und Gericht, Leben und Tod, Himmel und Hölle. Dort stehen Texte von einzigartiger Schönheit neben nervender Eintönigkeit, tiefe Weisheit neben unverständlichen Merkwürdigkeiten. Und es gibt Passagen, die wirken komplett verrückt. Da bleibt jede Logik auf der Strecke.
Zum Beispiel hat der Prophet Hesekiel angekündigt; Hes. 38,1ff: "So spricht Gott der HERR: Siehe, ich will an dich, Gog, du Fürst von Rosch, Meschech und Tubal! Siehe, ich will dich herumlenken und dir einen Haken ins Maul legen und will dich ausziehen lassen mit deinem ganzen Heer ... am Ende der Zeiten sollst du in ein Land kommen, das dem Schwert entrissen ist, und zu dem Volk, das aus vielen Völkern gesammelt ist, nämlich auf die Berge Israels, die lange Zeit wüst gewesen sind, und nun ist es herausgeführt aus den Völkern ... Du wirst heraufziehen gegen mein Volk Israel ... damit du rauben und plündern kannst ..."
Nun ist es eine unbestreitbare Tatsache, daß der Prophet - vor ca. 2580 Jahren! - die aktuelle Situation erstaunlich genau beschrieben hat. Das Volk der Juden wird tatsächlich "aus vielen Völkern gesammelt". Ca. 1900 Jahre nach seiner Vertreibung durch die Römer lebt es wieder auf den Bergen Israels. Zutreffend ist auch, daß der Judenstaat zahlreiche Feinde hat, die ihn vernichten wollen. Bei seiner Gründung 1948 waren das Ägypten, Jordanien, Syrien, der Libanon und Irak. Heute sind es vor allem der Iran und dessen Ableger Hamas und Hisbollah, deren erklärtes Ziel es ist, das "zionistische Gebilde" auszulöschen. Verrückt aber ist die Aussage, Gott selber sei es, der diesen Feinden "einen Haken ins Maul legt", damit sie gegen die Juden kämpfen. Wenn die Juden "Gottes auserwähltes Volk" sind, müßte er sie doch schützen. Warum also sollte Gott das genaue Gegenteil tun und Israels Feinde "herumlenken" gegen sein eigenes Volk?
Hesekiels Antwort lautet sinngemäß: Über Gott wird viel und vergeblich geredet. Unzählige intelligente Leute wissen unzählige intelligente Argumente, warum es den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, nicht geben kann. Weshalb auch seine Gebote unzeitgemäß und überflüssig seien. Gott betrachtet dieses Treiben mit amüsierter Gelassenheit (Ps 2,4). Denn er weiß, es wird eine Zeit kommen, da werden die Worte verstummen. Dann wird die Geschichte sprechen. Hesekiel im Wortlaut: "Ich will dich aber dazu über mein Land kommen lassen, daß die Heiden mich erkennen, wenn ich an dir, Gog, vor ihren Augen zeige, daß ich heilig bin ... Auf den Bergen Israels sollst du fallen, du mit deinem ganzen Heer und all den Völkern die mit dir sind ... und ich will meinen heiligen Namen kundmachen unter meinem Volk Israel und will meinen heiligen Namen nicht länger schänden lassen, sondern die Heiden sollen erfahren, daß ich der HERR bin, der Heilige in Israel." Auf deutsch heißt das wohl: Laut Hesekiel erfüllen die Feinde Israels einen doppelten Zweck. a) die Juden sollen einsehen, daß sie ohne die Hilfe ihres Gottes erledigt sind. Und b) die "Heiden" sollen begreifen, daß "der Heilige in Israel" der wahre und einzige Gott ist; ein Gott, an dem sie sich die Zähne ausbeißen.
Der alte Fritz soll seinen frommen General Zieten gefragt haben, ob er einen Beweis für die Existenz Gottes wisse. Der General habe geantwortet: "Majestät, die Juden!" Wer weiß, vielleicht hatte Zieten recht. Doch das entscheiden nicht Naturwissenschaftler in den Laboren; nicht Theologen oder Philosophen in ihren Gelehrtenstübchen, nicht Medienmacher in den Redaktionen oder Politiker in den Parlamenten; auch nicht brave Bürger in ihren Vereinen, am Stammtisch oder in Internetforen. Falls Hesekiel tatsächlich ein Prophet war, entscheidet sich Frage nach Gott "am Ende der Zeiten" auf den Bergen Israels. (Das würde auch erklären, warum diese Berge von aller Welt so aufgeregt beobachtet werden.)
Andreas Rau
Ev. Kirchgemeinde St. Marien, Haldensleben
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