Presse-Andachten
Mose und die Propheten (ca. 10/2006)
Es gibt Geschichten, die verschlagen einem glatt die Sprache. So berichtete die Volkstimme am 14. 08. 2006 sinngemäß: Eine allein erziehende ALG-II-Bezieherin hatte von ihren Eltern zum Geburtstag 100,- Euro als Geschenk erhalten - per Überweisung. Als das zuständige Amt die Kontoauszüge zu Gesicht bekam, wurden die als Einkommen bewertet und von ihrem Arbeitslosengeld II wieder abgezogen. Auf deutsch: Da wollen Eltern, die es vermutlich auch nicht dicke haben, ihre Tochter unterstützen und prompt kommt der Staat und kassiert das Geld ein. Wohlgemerkt: es wird nicht nur ein Teil verrechnet, sondern vollständig alles, einhundert Prozent, wird eingezogen.
Aus den Darstellungen des Leseranwaltes ging nicht hervor, daß die übergeordnete Regionaldirektion der Arbeitsagentur diese Entscheidung korrigiert hätte. Auch wurden dort keine zusätzlichen Argumente genannt, die dieses Vorgehen irgendwie verständlich erscheinen lassen. Nach dem "Buchstaben des Gesetzes" sei diese Entscheidung durchaus korrekt. Es sei zu bedenken, „dass die Prüfung immer eine Einzelfallprüfung und der geschilderte Fall zu unkonkret sei, um eine bindende Entscheidung zu treffen."
Die "Buchstaben des Gesetzes" fallen nicht vom Himmel. Sie werden von Menschen gemacht, genauer von den Abgeordneten im Bundestag. Die machen (nach eigenen Angaben) einen Knochenjob von 60 - 70 Stunden in der Woche. Einige von ihnen opfern ihre ohnehin knappe Freizeit um noch einer Nebenbeschäftigung nachzugehen; sei es als Gewerkschaftsfunktionär, sei es bei einem Arbeitgeberverband oder in irgendwelchen Aufsichtsräten. Ich habe noch nicht gehört, daß die dort anfallenden Einkünfte mit den staatlichen Zuwendungen an die Abgeordneten (sprich: Diäten) verrechnet würden. Dies geschieht nur bei den kleinen Leuten, die jeden Cent ohnehin fünfmal umdrehen müssen.
Hier ist nicht der Platz für nutzlose Spekulationen. Zum Beispiel über Menschenwürde, die angeblich unantastbar sein soll und doch oft genug mit Füßen getreten wird. Oder: wie verrückt muß ein Mensch sein, um in diesem "Rechtsstaat" ehrlich zu bleiben. Oder: warum treiben die etablierten Parteien den "kleinen Wähler" mit aller Gewalt zur "Protestwahl" - und damit den Parteien in die Arme, die man besser nicht wählen sollte. Stattdessen eine kleine Geschichte, die Jesus vor knapp 2000 Jahren erzählt hat:
"Es war aber ein reicher Mann, der lebte alle Tage herrlich und in Freuden. Es war aber auch ein Armer mit Namen Lazarus, der lag vor der Tür des Reichen und lebte von den Abfällen, die von dessen Tisch fielen. Es begab sich aber, daß beide starben. Als der Reiche nun bei den Toten war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah von Ferne Abraham im Himmel und Lazarus in seinem Schoß. Und er rief und sprach: Vater Abraham, erbarme dich mein und sende Lazarus, daß er das Äußerste seines Fingers ins Wasser tauche und kühle meine Zunge, denn ich leide Pein in dieser Flamme. Abraham aber sprach: Gedenke Sohn, daß du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet, und du wirst gepeinigt.
Da sprach der Reiche: So bitte ich dich, Vater, daß du Lazarus sendest in meines Vaters Haus; denn ich habe noch fünf Brüder, daß er sie warne, auf daß sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual. Abraham sprach: Sie haben Mose und die Propheten, die sollen sie hören. Er aber sprach: Nein, Vater Abraham, sondern wenn einer von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun. Er sprach zu ihm: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie auch nicht glauben, wenn jemand von den Toten aufstünde." (Lukas 16,19ff)
Der Haken an der Geschichte: Unzähligen Menschen in anderen Ländern der Erde geht es ungleich schlechter als uns. Im Vergleich mit denen sind wir alle noch sehr, sehr reich. Vielleicht wären wir alle (Diäten-, Lohn- und ALG-Empfänger) gut beraten, wenn wir hörten, was "Mose und die Propheten" (sprich: die Bibel) sagen?
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